Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
fragte ihn, warum sie die Spieler ihre Talente gebrauchen ließen, wenn sie so wenig von ihnen hielten.
»Wir sind nicht zahlreich genug, um uns anders verhalten zu können«, erwiderte er. »Es gibt viel weniger Unveränderliche als Spieler. Wir bekommen nicht viele Kinder, unsere Zahl bleibt klein, und unsere Fähigkeiten verändern sich seit Menschengedenken nicht – unveränderlich, wie du sagst. Jeder von uns kann das Talent eines Spielers in einem gewissen Umkreis um sich herum unterdrücken. Ich bin zwar geschützt davor, von einem Dämon gelesen zu werden oder vor einem Waffenträger über mir in der Luft, aber ich bin nicht geschützt vor einem Pfeil, der aus einiger Entfernung abgeschossen wird oder einem geworfenen Speer, wie du nur zu gut weißt.«
Ich nickte. Tossa war an einer Pfeilwunde gestorben.
»Viele von uns finden es sicherer, unter ihresgleichen zu leben, in eigenen Städten und Gebieten mit ihren Bauernhöfen und Handwerkern. Auf diese Weise können wir uns und unsere Familien vor jeder Gefahr schützen, außer einem bewaffneten Angriff, und dem können wir mit unseren eigenen Waffen entgegentreten. Natürlich könnten wir einfach überrannt werden, falls eine Gruppe Spieler so etwas beschließen würde, aber Spieler verlassen sich zu sehr auf ihre Talente. Ohne das Talent der Betörung wäre kaum einer ihrer Anführer imstande, Männer in die Schlacht zu führen. Und die Bauern kämpfen natürlich nicht gegen uns. Von Zeit zu Zeit wenden sie sich an uns, damit wir ihnen helfen.«
»Man müßte doch denken, alle Bauern würden sich um euch scharen, um Schutz zu suchen.«
»Wir können sie nicht beschützen. Wir sind zu wenige.«
»Was möchten sie denn, Rätsel? Was willst du? Und die Unveränderlichen?«
»Wir wünschen uns, was sich alle Menschen wünschen, Peter. Wir möchten uns sicher fühlen, leben. Wir möchten das Werk unserer eigenen Hände bewundern. Sogar Spieler wünschen sich so etwas. Warum sonst gäbe es ihre ›Schulen‹ und ›Festivals‹? Die Spieler sind von den Bauern abhängig, die für sie arbeiten, ihnen Getreide, Obst und Fleisch liefern. Wenn wir zahlreich genug wären, die Bauern zu beschützen und sie alle zu uns kämen, dann … dann würden die Spieler vielleicht kämpfen, sogar ohne ihre Talente.«
»Sie könnten den Boden selbst beackern«, schlug ich vor, bezweifelte es aber sogleich.
»Könnten ja, aber würden sie es tun?« fragte Rätsel. Wir kannten beide die Antwort. Nur wenige würden es tun. Ein paar taten es bereits, aber nur, weil es ihnen Spaß machte. Die überwältigende Mehrzahl der Spieler jedoch würde lieber auf dem Schlachtfeld sterben, als sich mit irgendeiner Form ›bäurischer‹ Arbeit abzugeben.
So ritten wir gemeinsam dahin. Ich im Umfeld von Rätsels Schutz, er im Schutz der Angst, die mit der Nekromantenkleidung kam. Niemand belästigte uns. Auf der Straße waren sowieso nur wenige unterwegs, und die, die wir trafen, hielten sich weit von uns entfernt.
»Die Gegenstände, die Ihr in Bannerwell gefunden habt«, fragte ich. »Weshalb reizen sie Euch so?«
»Mich fesselt alles Geheime und Hintergründige, Peter. Zwischen Spielern ist es schwierig, etwas geheimzuhalten. Ein mächtiger Dämon kann beinahe alles über einen anderen Menschen herausfinden, Gedanken zu Tage fördern, von denen man selbst nicht weiß, daß man sie denkt. Wie soll man da Geheimnisse bewahren? Aber trotzdem gibt es welche, oder?«
»Die eigenen Dämonen schützen einen vor Gedankendiebstahl durch Außenseiter. Man bleibt in seinem eigenen Gebiet, seiner eigenen Domäne …«
»Gut, aber Mauern können zerstört oder untergraben werden. Nein, manchmal bleiben Dinge geheim, selbst bei denen, die sich nach außen hin den Anstrich eines ganz gewöhnlichen Spielers geben. In Bannerwell wurden Geheimnisse bewahrt. Irgend jemand dort wußte Dinge, die keinem außer ihm bekannt waren. Huld wahrscheinlich. Wie stellte er das an? Weißt du was?« fuhr er fort, plötzlich Vertrauen schöpfend. »Als Kind beneidete ich die Spieler. Wirklich … Ich war regelrecht verliebt in Sorah. Eine Seherin. Wie wunderbar, das Unsichtbare, Unerforschbare, die Zukunft sehen zu können … wie wunderbar, alles zu wissen?«
»Ich glaube nicht, daß es sich so verhält«, sagte ich, wobei ich an den alten Windlow und seine Verzweiflung über die verschwommenen Visionen einer ungewissen Zukunft dachte.
»Vielleicht nicht. Trotzdem … Es gibt so viele Dinge, die ich erfahren
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