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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Augenblick ausgesucht, Fragen der Strategie zu erörtern. Hätte Torc nicht ausgeführt, was ich von dir verlangt habe, dann hätten die Wölfe die Flanke des Zuges umgangen. Möchtest du vielleicht hier deine Handlungsweise erklären, oder vor dem Aven und dem Häuptling deines Stammes?«
    Doraid drehte sich erbost nach ihm um. »Seit wann hat der dritte Stamm dem siebten zu befehlen?«
    »Das hat er nicht«, erwiderte Levon gleichmütig. »Aber ich habe das Kommando über diese Wachmannschaft, und du warst dabei, als mir dieses Kommando übertragen wurde.«
    »Ach, ja!« höhnte Doraid. »Der kostbare Sohn des Aven. Man muss ihm gehorchen, und –«
    » Einen Augenblick !« warf eine vertraut klingende Stimme in barschem Tonfall ein. »Habe ich richtig verstanden, was hier vorgefallen ist?« fuhr Diarmuid fort und drängte sich in den Kreis der Reiter. »Hat dieser Mann sich einem eindeutigen Befehl widersetzt? Und beklagt er sich jetzt auch noch darüber?« Der Ton war eisig.
    »So ist es«, meldete Torc sich das erste Mal zu Wort. »Das hat er. Ihr versteht das völlig richtig, Edler Prinz.«
    Kevin kam die ganze Sache plötzlich furchtbar bekannt vor: der Hof einer Schenke im Süden, ein Bauer, der ausruft: »Mörnir schütze Euch, junger Prinz!« Und dann noch etwas. »Coll«, rief Diarmuid.
    »Nein!« schrie Kevin auf und stürzte sich vom Pferd. Er versetzte seinem Freund, Diarmuids massigem Leutnant, einen Rippenstoß, der sie beide in hohem Bogen zu Boden schleuderte, wo sie mit einem doppelten Knirschen zwischen den stampfenden Pferden der Dalrei im Schnee landeten.
    Er kam etwa eine halbe Sekunde zu spät. Da lag noch ein Mann im Schnee, ganz in ihrer Nähe: Doraid, und tief in seiner Brust steckte Colls Pfeil.
    »Oh, verdammt«, entfuhr es Kevin sterbenselend. »Oh, verdammt noch einmal.«
    Und es tröstete ihn nicht, dass er neben sich ein Kichern vernahm. »Gut gemacht«, bemerkte Coll leise, ganz und gar nicht aus der Fassung gebracht. »Du hast mir beinahe noch einmal die Nase gebrochen.«
    »O Gott. Coll, das tut mir leid.«
    »Macht nichts.« Wieder kicherte er. »Übrigens hatte ich beinahe mit dir gerechnet. Ich weiß noch, dass du für diese Art Rechtsprechung nichts übrig hast.«
    Niemand achtete auf sie. Sein ungestümes Dazwischenspringen schien eine sinnlose Geste gewesen zu sein. Immer noch am Boden hockend sah er im Innern des Fackelkreises zwei Männer einander gegenübertreten.
    »Es sind heute Nacht genug Dalrei gefallen, als dass man einen weiteren hinzufügen müsste«, stellte Levon gefasst fest.
    Diarmuids Stimme war kühl. »Es werden in diesem Krieg noch genug Männer fallen, als dass wir noch mehr Risiken auf uns nehmen müssten, indem wir durchgehen lassen, was dieser Mann getan hat.«
    »Dann war es zumindest unsere Angelegenheit, eine, über die der Aven zu entscheiden hat.«
    »Falsch«, widersprach Diarmuid. Zum ersten Mal erhob er seine Stimme. »Gestattet, dass ich euch alle, und besser jetzt als später, an die Lage der Dinge gemahne. Als Revor die Ebene als Lebensraum für sich und seine Nachkommen erhielt, hat er vor Colan den Treueschwur geleistet. Das soll nicht in Vergessenheit geraten. Ivor dan Banor, der Aven der Dalrei, trägt diesen Titel auf die gleiche Weise wie damals Revor: unter der Herrschaft des Großkönigs von Brennin, und das ist Aileron dan Ailell, vor dem du, Levon, einen ganz persönlichen Eid abgelegt hast!«
    Levon war hochrot geworden, doch seine Augen hielten stand. »Das vergesse ich nicht«, erwiderte er. »Und doch ist der Gerechtigkeit nicht mit nächtlichen Pfeilen auf einem Schlachtfeld gedient.«
    »Falsch«, belehrte Diarmuid ihn zum zweiten Mal. »Im Krieg ist selten Zeit, ihr auf andere Weise zu dienen. Was«, fragte er ruhig, »sieht das Gesetz der Dalrei für das vor, was Doraid heute Nacht getan hat?«
    Es war Torc, der ihm antwortete. »Den Tod«, sagte er mit deutlicher Stimme. »Er hat recht, Levon.«
    Kevin, der immer noch mit Coll am Boden saß, wurde klar, dass Diarmuid das natürlich gewusst hatte. Und gleich darauf sah er Levon nicken.
    »Ich weiß, dass er recht hat«, gab er zu. »Doch ich bin meines Vaters Sohn, und ich kann nicht so einfach eine Hinrichtung befehlen. Vergebt Ihr mir, Edler Prinz?«
    Statt einer Antwort stieg Diarmuid vom Pferd und trat zu Levon. Mit einer feierlichen Geste übernahm er die Rolle des Dienenden, um dem anderen vom Pferd zu helfen, und dann umarmten sich die zwei, beide jung, beide blond,

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