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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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schien, benahm er sich zurückhaltend und bescheiden, und Zervan fand seine deutliche Ergebenheit Matt Sören gegenüber durchaus anerkennenswert. Zervan war schon immer der Meinung gewesen, dass Matt sich zuviel zumutete, und es war gut, Brock dazuhaben, der ihn unterstützte und seine Meinung teilte.
    Außerdem war es Brock, der Zervan Einblick in die Ursachen von Matts gelegentlichen Anfällen tiefer Schwermut und jenes Schweigens gab, das selbst bei einem Mann von so einsilbiger Natur nicht unbemerkt bleiben konnte. Nun war Zervan alles klar: Matt Sören, der ehedem König unter dem Banir Lok gewesen war, wurde schweigsam und übellaunig, wann immer er gegen die unentwegte Lockung Calor Dimans ankämpfen musste. Alle Zwergenkönige, hatte Brock ihm erläutert, mussten eine Vollmondnacht am Ufer des Kristallsees zwischen den Zwillingsbergen verbringen. Überlebten sie, was sie dort zu sehen bekamen, und waren noch bei Verstand, konnten sie Anspruch auf die Diamantenkrone erheben. Und niemals, hatte Brock gesagt, niemals würden sie die gezeitengleiche Lockung Calor Dimans los. Dieser Sog war es, begriff Zervan, der Lorens Quelle so oft des Nachts aus dem Schlaf riss, worauf er gemessenen Schritts in seinem Zimmer auf und ab zu gehen pflegte, schlaflos, bis der Morgen graute.
    Heute Nacht jedoch war es Zervan, der nicht schlafen konnte. Matt befand sich mit Loren im Palast. Brock hatte sich taktvoll empfohlen und war zum Schwarzen Keiler aufgebrochen. So etwas tat er des Öfteren, um Magier und Quelle unter sich sein zu lassen. Zervan, der allein im Haus zurückgeblieben war, lag wach, weil er nun schon zum zweiten Mal vor seinem Fenster ein Geräusch gehört hatte.
    Beim dritten Mal schwang Zervan sich aus dem Bett, kleidete sich an und machte sich auf, nach dem Rechten zu sehen. Als er durch den Vorraum kam, warf er noch ein paar Holzscheite in jedes der Feuer und nahm darin ein besonders dickes Stück an sich, das er dabeizuhaben gedachte. Er öffnete die Tür und trat hinaus auf die Straße.
    Es war bitter kalt. Sein Atem gefror, und er spürte, wie selbst durch die Handschuhe hindurch seine Fingerspitzen bereits gefühllos wurden. Er ging ums Haus herum nach hinten, wo sich die Schlafräume befanden und wo er das Geräusch zu hören geglaubt hatte.
    Eine Katze, dachte er, und stapfte knirschend durch den Schnee zwischen diesem und dem benachbarten Haus. Vermutlich habe ich eine Katze gehört. Es waren, stellte er fest, keine Fußspuren auf dem Schnee vor ihm zu entdecken. Einigermaßen beruhigt bog er um die Ecke hinterm Haus.
    Es blieb ihm noch Zeit, zu sehen, worum es sich handelte, zu fühlen, wie sein Verstand mit dem Unmöglichen fertig zu werden versuchte, und zu wissen, warum es im Schnee keine Fußspuren gab.
    Keine Zeit blieb ihm, zu rufen oder zu schreien oder auch nur irgendeine Warnung von sich zu geben.
    Ein langer Finger streckte sich nach ihm aus. Er berührte ihn, und Zervan starb.
     
    Nach dem Wind, der alle Glieder erstarren ließ, und den vereisten, unsicheren Straßen kam Kevin die Hitze, die im Schwarzen Keiler herrschte, wie ein Inferno vor. Die Schenke war randvoll von brüllenden, schwitzenden Menschen. Es gab mindestens vier lodernde Feuerstellen und unzählige Fackeln, die hoch oben an den Wänden befestigt waren.
    Alles war beinahe genauso, wie er es im Gedächtnis hatte: der dichte, alles verhüllende Qualm, der Duft von Fleisch, das über den Herdfeuern schmorte, und der unablässige, ohrenbetäubende Lärm. Als die drei sich durch die Tür hineindrängten, merkte Kevin, dass der Keiler überfüllter wirkte, als er es in Wirklichkeit war, weil beinahe alle Gäste sich in einem weiten Kreis um eine freie Fläche in der Mitte des Schankraums zusammengequetscht hatten. Die Tische wären von ihren Böcken gerissen und umgestürzt worden, während man die Bänke beiseite geräumt hatte, um Platz zu schaffen.
    Dave diente ihnen als mächtiger Rammbock, und Kevin und Paul drängten sich hinter seinem Rücken in die vorderen Reihen der Menge in der Nähe der Tür vor. Als sie inmitten zustoßender Ellbogen und überschwappenden Biers dort angelangt waren, erblickte Kevin in dem Kreis, den die Menge gebildet hatte, einen beleibten, rothaarigen Mann, und dieser Mann trug eine andere, kleinere Gestalt auf seinen Schultern.
    Und diesen gegenüber, brüllend vor Trotz und Angriffslust, irgendwie über das allgemeine Getöse hinweg noch hörbar, stand Tegid aus Rhoden, jener gewaltige

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