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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Gedächtnis. Das waren ihre Namen, wusste er, und sie waren dort gewesen, alle beide, im Baum, als das Ende nahte und die Göttin kam und dann der Gott.
    Und im gleichen Augenblick, als die Erscheinung, die vor ihm stand, sich wieder erholt hatte und vortrat, um ihm den Todesstoß zu versetzen, wie sie es schon mit Tiene gemacht hatte, da hörte Paul die Raben, und er sprach mit feierlicher Stimme die Worte, die sie ihm vorsagten, nämlich diese:
     
    Weiß ist der Dunst, der mich durchdrungen,
    Weißer noch als dein Heimatland.
    Es ist dein Name, von mir gesungen,
    Es ist dein Name, der dich bannt.
     
    Er verstummte. Um die beiden herum, die zu den Mächten der ersten und damit auch aller anderen Welten gehörten, toste weiter das Höllenspektakel. Niemand schenkte ihnen auch nur die geringste Beachtung. Paul hatte seine Stimme gesenkt, doch er sah, dass jedes Wort zu ihr durchgedrungen war. Dann sprach er ebenso leise, doch jeder Silbe Nachdruck verleihend, denn in seinen Worten lag ein Zauber so alt und so unergründlich wie alle Magie: »Ich bin der Herr des Sommerbaums, mein Name birgt kein Geheimnis und keinen Bann.« Sie hatte Zeit, sie hätte vortreten und ihn berühren können, und ihre Berührung hätte sein Herz erfrieren lassen, doch seine Worte hielten sie zurück. Bewegungslos, die eisigen Augen unverwandt auf die seinen gerichtet, hörte sie ihn sagen: »Du hast das Ödland weit hinter dir gelassen und damit deine Kräfte. Verfluche ihn, der dich hierher geschickt hat, Eiskönigin, denn ich nenne dich jetzt beim Namen, und ich heiße dich Fordaetha von Rük!«
    Es ertönte ein Schrei, der kein Schrei war, aus einer Kehle, die menschlich war und doch nicht menschlich. Er stieg auf wie ein verwundetes Tier, flog ungeheuerlich schallend durch den Raum und ließ jedes andere Geräusch im Innern des Schwarzen Keilers gänzlich verstummen.
    Und als die letzte klagende Schwingung in der schreckerfüllten Stille verklungen war, blieb nur ein leerer Umhang auf dem Boden vor Paul Schafer zurück. Sein Gesicht war vor Anspannung und Erschöpfung ganz blass, und seine Augen legten Zeugnis davon ab, dass sie entsetzlich viel Böses gesehen hatten.
    Kevin und Diarmuid kamen, dicht gefolgt von Dave und den anderen, zu ihm herübergeeilt, während die Schankstube wieder zu ängstlich fragendem Leben erwachte. Niemand sagte etwas; sie blickten Paul an.
    Der war inzwischen neben einem am Boden liegenden Mädchen in die Hocke gegangen. Zusammengeschrumpft wirkte es, und in den Fängen eines eisigen Todes, der eigentlich ihm zugedacht gewesen war, blaugefroren von Kopf bis Fuß.
    Nach einer Weile erhob er sich. Die Männer des Prinzen hatten ihnen Platz geschaffen. Nun hoben auf ein Nicken Diarmuids hin zwei von ihnen das tote Mädchen auf und trugen es hinaus in die Nacht, die kalt war, wenn auch nicht so kalt wie die Tote.
    Paul sagte: »Die Früchte des Winters, mein Edler Prinz. Hast du von der Königin von Rük erzählen gehört?«
    Diarmuids Gesicht zeigte keinen anderen Ausdruck als tiefe Konzentration. »Von Fordaetha, ja. Die Legenden besagen, sie sei die älteste Naturgewalt in Fionavar.«
    »Eine der ältesten.« Sie drehten sich um und erblickten das grimmige Gesicht des Zwerges Brock. »Eine der ältesten Naturgewalten«, fuhr der Zwerg fort. »Pwyll, wie ist es Fordaetha gelungen, aus dem Ödland herabzusteigen?«
    »Mit dem Eis, als es herabgekommen ist«, erwiderte Paul und wiederholte noch einmal in bitterem Ton: »Die Früchte des Winters.«
    »Du hast sie getötet, Paul?« Die Frage kam von Kevin, und seine Stimme war erfüllt von einem schwer ergründbaren Gefühl.
    Macht, dachte Paul soeben und erinnerte sich an den alten König, dessen Platz am Sommerbaum er eingenommen hatte. Er stellte nur richtig: »Nicht getötet. Ich habe sie mit einer Beschwörungsformel angerufen, und das hat sie verjagt. Nun wird es lange dauern, bis sie wieder in irgendeine Gestalt schlüpft, und noch länger, bis sie noch einmal das Ödland verlässt, aber tot ist sie nicht, und sie dient Maugrim. Wären wir weiter im Norden gewesen, wäre ich mit ihr nicht fertig geworden. Ich hätte keinerlei Aussicht auf Erfolg gehabt.« Er war sehr erschöpft.
    »Wie kommt es«, hörte er Dave Martyniuk fragen, und aus seiner Stimme war deutlich das Bedürfnis herauszuhören, dies alles zu begreifen, »wie kommt es, dass sie ihm dienen?«
    Und auch hierauf schien er die Antwort zu kennen. Er hatte sie in ihren Augen gesehen. »Er hat

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