Das wandernde Feuer
neben ihm verblasste. Es zeugte vom Ausmaß des Bösen, dachte sie, die es unter allen Sterblichen nicht nötig hatte, dieses Maß zu ergründen, dass er dieses Geschöpf so uneingeschränkt zu hassen vermochte, das hier vor ihr stand, nun mit trockenen Augen, die sich, noch während sie hinschaute, bernsteinbraun verfärbten.
»Dieser König weiß, was sich geziemt«, erklärte Brendel. »Auch wenn man das nicht gedacht hätte. Er hat die Nachricht in meine Gemächer überbringen lassen, dass du hier bist.«
Es war ihr hinterbracht worden, von Kevin, was Brendel für sie getan hatte; wie er Galadan und seinen Wölfen gefolgt war und welchen Eid er im Großen Thronsaal abgelegt hatte. Sie entgegnete: »Du hast keinen Grund, dir meinetwegen Vorwürfe zu machen. Du hast, wie ich höre, mehr getan, als es irgendein anderer vermocht hätte.«
»Das war nicht genug. Was soll ich dir sagen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast mir auch Freude bereitet. Die letzte wahre Freude, derer ich mich entsinnen kann, war es, einzuschlafen und dabei den Gesängen der Lios zu lauschen.«
»Können wir dir nicht mehr geben, nun, da du wieder bei uns weilst?«
»Ich weiß nicht, ob ich es anzunehmen imstande bin, Brendel. Ich bin nicht … . unversehrt.« Irgendwie war es leichter, leichter für sie als für ihn. Es folgte längere Zeit Schweigen, in welchem sie es erduldete, dass seine Augen die ihren festhielten. Er ging ihnen nicht auf den Grund, obwohl sie wusste, dass er das gekonnt hätte, genau wie Loren sie vor einer Prüfung verschont hatte. Keiner würde es tun, und somit konnte sie Darien geheim halten, und das würde sie auch.
»Kannst du das nicht ungesagt machen?« fragte er, und die Musik in seiner Stimme war geheimnisvoll und schmerzerfüllt. »Soll ich dich belügen?«
Er wandte sich ab und begab sich zum Fenster. Selbst die Gewänder, die er trug, schienen aus unzähligen Farben gewoben, die sich veränderten, sobald er sich bewegte. Das Sternenlicht von draußen erleuchtete sein Silberhaar und brachte es zum Glitzern, und wie kam sie nur dazu, sich einem zu verweigern, der mit seinem Haar die Sterne einfangen konnte?
Doch wie hätte sie anders gekonnt? Ich werde dir alles nehmen, hatte Rakoth gedroht, und er war allzu nahe darangewesen, dies auch zu schaffen.
Brendel drehte sich um; seine Augen waren golden, das schien seine wahre Farbe zu sein. Er sagte: »Ich habe lange hier ausgeharrt, auf Ra Tenniels Wunsch wie ’auf meinen eigenen. Seiner war es, dass ich diesen jungen König berate und erfahre, was die Mannen Brennins zu tun beabsichtigen, und der meine war es, dich hier und am Leben zu wissen, damit ich dir eines anbieten, dich um eines bitten kann.«
»Und das wäre?« Sie war sehr groß, mit goldener Haut und noch hellerem Haar als früher, gezeichnet von Sorge und Betrübnis und davon irgendwie geläutert.
»Dass du mit mir kommst, nach Daniloth, um wieder ganz gesund zu werden. Wenn das überhaupt möglich ist, dann dort.«
Sie blickte auf ihn wie von großer Höhe herab oder wie aus unendlicher Tiefe empor – in beiden Fällen zählte die Entfernung. Sie sagte: »Nein«, und sah den Schmerz in seinen Augen aufflammen wie ein unerklärliches Feuer. Sie fuhr fort: »Ich bleibe besser, wie ich bin. Paul hat mich soweit gebracht, er und noch etwas. Lasse es ruhen. Ich bin hier, und keineswegs unglücklich, und ich habe Angst, mich weiter ins Licht hinauszuwagen, da es für mich weitere Finsternis bedeuten könnte.«
Darauf wusste er keine Antwort, und das war auch ihre Absicht gewesen. Er berührte ihre Wange, ehe er sie verließ, und sie erduldete diese Berührung, traurig, dass sie an so etwas keine Freude haben konnte, doch so war es nun einmal, und was hätte sie dagegen tun können oder sagen?
An der Tür angekommen, richtete der Lios Alfar noch einmal das Wort an sie, und in seiner Stimme war die Musik so gut wie nicht mehr erkennbar. »Dann heißt es Rache nehmen«, gelobte Brendel vom Falkensiegel, »sonst ist mir nichts geblieben, doch sie bleibt mir immerdar. Und, Jennifer, sie soll ausgeführt werden.« Er schloss leise hinter sich die Tür.
Schwüre, dachte sie, als sie sich wieder langsam dem Feuer zuwandte. Kevin, Brendel, sie fragte sich, wer denn noch um ihretwillen Rache schwören würde. Sie fragte sich, ob ihr das je etwas bedeuten konnte.
Und während sie so dastand, inmitten des grauen Landes des gedämpften Lichts und der Schatten, öffneten Loren und Matt gerade ihre
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