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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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ihr Eis versprochen. Eis bis hierher nach Süden – eine geräumige Winterwelt, in welcher sie herrschen kann.«
    »Unter seiner Oberherrschaft«, ergänzte Brock leise. »Herrschen, doch unter seiner Oberherrschaft.«
    »O ja«, stimmte Paul zu. Er dachte an Kaen und Blöd, jene Brüder, die die Zwerge verlassen hatten, um ebenfalls Maugrim zu dienen. Er sah Brock an, dass der den gleichen Gedanken hegte. »Alles wird unter seiner Oberherrschaft stehen, und für immer. Wir können es uns nicht leisten, diesen Krieg zu verlieren.«
    Nur Kevin, der ihn am besten kannte, hörte die Verzweiflung in Pauls Stimme. Er sah zu, sie alle sahen zu, als Schafer sich abwandte und zur Tür ging. Dort blieb er stehen, gerade lange genug, um seinen Mantel auszuziehen und ihn zu Boden fallen zu lassen. Darunter trug er nur ein Hemd mit offenem Kragen.
    »Noch eines«, sagte Paul. »Ich brauche keine Jacke. Der Winter berührt mich nicht. Was immer das wert sein mag.«
    »Warum?« Es war Kevin, der sich danach erkundigte, stellvertretend für alle anderen.
    Schafer trat hinaus in den Schnee, ehe er sich noch einmal umwandte, um durch die geöffnete Tür zu antworten: »Weil ich am Baum mit ihm in Berührung gekommen bin, ebenso wie mit allen anderen Gestalten, die der Tod annimmt.«
    Die Tür fiel hinter ihm zu, schloss den Wind aus und den hereinwirbelnden Schnee. Und sie standen im hell erleuchteten, lauten Schankraum, umgeben von Wärme und guter Kameradschaft, und es gab kaum etwas, das ihnen auf einer der Welten kostbarer gewesen wäre.
     
    Ungefähr zu dem Zeitpunkt, da Paul die Schenke verließ, machten auch Loren Silbermantel und seine Quelle sich auf den Heimweg zum Quartier der Magier in der Stadt. Keiner von beiden war der Kälte gegenüber unempfindlich, und obwohl es zu schneien aufgehört hatte, wehte weiter der eisige Wind, und mancherorts türmte sich der Schnee bis in Brusthöhe des Zwerges. Über ihren Köpfen schienen die sommerlichen Sterne hell auf eine Winterwelt herab, doch sie blickten beide nicht nach oben und sprachen kein einziges Wort.
    Doch sie hatten die gleiche Geschichte mitangehört, daher teilten sie ihre Gefühle: die Wut auf das, was jener Frau angetan worden war, die sie soeben im Palast verlassen hatten; das Mitgefühl für eine Verletzung, die sie nicht heilen konnten; und die Liebe, in dem einen wie dem anderen, zu einer Schönheit, die bewiesen hatte, dass sie selbst noch am finstersten aller Orte Trotz bieten konnte. Bei Matt Sören kam darüber hinaus noch etwas anderes hinzu, denn es war ein Zwerg gewesen, Blöd, der über sie hergefallen war, nachdem Maugrim mit ihr fertig war.
    Von Darien wussten sie nichts.
    Nach einer Weile erreichten sie ihr Quartier. Teyrnon und Barak hielten sich woanders auf, und Brock war ausgegangen, vermutlich mit Diarmuid, daher hatten sie das große Haus für sich. Mit voller Absicht verbrachten sie alle Nächte in der Stadt, um dem Volk von Paras Derval die Gewissheit zu geben, dass die Mächtigen des Reiches sich nicht hinter den Palastmauern verkrochen. Zervan hatte die Feuer noch einmal angerichtet, ehe er zu Bett gegangen war, daher war es herrlich warm, und der Magier trat vor das größere der beiden Kaminfeuer im Vorraum, während der Zwerg zwei Kelche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit füllte und einen davon zu dem Magier hinüberbrachte.
    »›Usheen, damit dem Herzen warm wird‹«, zitierte Matt, als er Loren sein Getränk überreichte.
    »Meines ist kalt heute Nacht«, entgegnete der hochgewachsene Magier. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Eine bittere Wärme.«
    »Es wird dir gut tun.« Der Zwerg ließ sich auf einen niederen Stuhl fallen und begann sich die Stiefel auszuziehen.
    »Sollen wir mit Teyrnon Verbindung aufnehmen?« »Um ihm was zu übermitteln?« Matt hob den Kopf. »Das eine, was wir erfahren haben.« Sie blickten einander schweigend an.
    »Der Schwan hat Metran mitgeteilt, der Kessel befinde sich in ihrer Hand und er solle sich an den Ort der spiralförmigen Bewegung begeben«, hatte Jennifer gesagt, leichenblass und eisern beherrscht, als sie in ihrem Bericht auf die Lichtung des Holzfällers zurückgekehrt war, wo Avaia sie geholt hatte. Und dies war das eine, was sie erfahren hatten.
    »Was wird er dort bei den Toten anfangen?« fragte Matt Sören nun. Ein Hass, so tief wie eine Grotte, verbarg sich hinter dieser Frage.
    Das Gesicht des Magiers blieb ausdruckslos. »Ich weiß es nicht«, gestand er ein.

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