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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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streng.
    »Fordaetha von Rük.«
    Er empfand etwas, das entfernt an Genugtuung erinnerte, als er sah, wie ihre Hände zu zittern begannen. »Hier?« flüsterte sie. »So weit im Süden?« Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Gewandes.
    »Es ist vorbei«, erklärte er ruhig. »Ich habe sie zurückgejagt. Doch vorher ist es ihr noch gelungen, zwei Morde zu begehen. Ich habe heute Morgen mit Loren gesprochen. Der Diener der Magier ist tot. Und obendrein ein Mädchen aus der Schenke.« Er wandte sich an Jennifer. »Ein uralter Wintergeist war in Paras Derval eingedrungen. Sie hat versucht, mich ebenfalls zu töten, und … . es ist ihr nicht gelungen. Aber es treibt sich viel Böses um. Ich muss wissen, wo Darien ist, Jennifer.« Sie schüttelte den Kopf. Er blieb beharrlich. »Höre doch auf mich, bitte! Es ist derzeit nicht möglich, dass er dir allein gehört, Jen. Unmöglich. Es steht zuviel auf dem Spiel, und wir wissen nicht, was er eigentlich ist!«
    »Er ist ein Unsicherheitsfaktor«, entgegnete sie gelassen, während sie hoch aufgerichtet und golden zwischen den Musikinstrumenten stand. »Er darf nicht mit hineingezogen werden, Paul.«
    Hier lag für ihn soviel im Dunkeln, und wo waren jetzt seine Raben? Es fiel ihm schwer, er kam sich grausam vor, doch es musste gesagt werden:
    »Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, ob er ausgeschaltet werden muss oder nicht.«
    In der Stille, die nun eintrat, konnten sie draußen auf dem Gang Schritte hören und das ununterbrochene Summen der gar nicht so weit entfernten Menge. Eins der Fenster stand offen. Wie um nicht mehr mit ansehen zu müssen, was seine Worte bei Jennifer angerichtet hatten, begab sich Paul dorthin. Selbst hier im Hauptgeschoß des Palastes waren sie recht weit über dem Erdboden. Unter ihm, im Süden und Osten, verließ soeben eine Gruppe von annähernd dreißig Männern Paras Derval. Diarmuids Schar. Zusammen mit Kevin, der vielleicht in der Tat Verständnis hätte aufbringen können, wenn Paul klar gewesen wäre, was er ihm eigentlich erklären wollte.
    Hinter ihm räusperte sich Jaelle und meldete sich mit ungewohnter Scheu zu Wort. »Von dieser letzten aller Möglichkeiten ist bisher nichts zu erkennen«, sagte sie. »Sowohl Vae, als auch ihr Sohn bestätigen das, und wir haben aufgepasst, Pwyll. Ich bin nicht so töricht, wie du von mir glaubst.«
    Er drehte sich um. »Ich halte Euch keineswegs für töricht«, sagte er. Er hielt ihrem Blick stand, möglicherweise länger, als es erforderlich gewesen wäre, ehe er sich widerstrebend der anderen Frau zuwandte.
    Jennifer war schon seit langem blass, beinahe ein Jahr war es her, seit sie zum letzten Mal eine gesunde Gesichtsfarbe gehabt hatte, doch noch nie hatte sie so leichenblass ausgesehen wie jetzt. Momentan verwirrt musste er an Fordaetha denken. Doch hier hatte er es mit einer Sterblichen zu tun, und noch dazu mit einer, der unvorstellbarer Schaden zugefügt worden war. Vor dem Weiß ihrer Haut traten die hohen Wangenknochen beinahe unnatürlich stark hervor. Er fragte sich, ob sie wohl demnächst das Bewusstsein verlieren würde. Sie schloss die Augen; machte sie wieder auf. Und sagte: »Er hat dem Zwerg gesagt, ich müsse sterben. Hat ihm anvertraut, dafür gebe es einen bestimmten Grund.«
    Ihre Stimme klang schmerzlich heiser. »Ich weiß«, bestätigte Paul, so sanft er konnte. »Das hast du mir doch erklärt.«
    »Welchen Grund könnte es geben, mich zu töten, wenn … . wenn nicht um eines Kindes willen?« Wie konnte man einer Seele Trost spenden, der so etwas angetan worden war? »Welchen Grund, Paul? Kann es denn einen anderen geben?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Vermutlich hast du recht, Jen. Bitte, hör doch auf.«
    Sie versuchte es; wischte sich mit beiden Händen die Tränen fort. Jaelle trat mit einem Seidentuch zu ihr und reichte es ihr, zutiefst verlegen. Jennifer hob wieder die Augen. »Aber, aber wenn ich recht habe … . wenn er tatsächlich Angst vor einem Kind hatte, dann … . müsste Darien doch eigentlich gut sein?«
    So viel Sehnsucht lag in dieser Frage, so viel von ihrem Herzen. Kevin würde jetzt lügen, dachte Paul. Jeder würde lügen.
    Paul Schafer aber sagte ganz leise: »Entweder gut oder ein Rivale, Jen. Wir können nicht feststellen, was von beidem, und deshalb muss ich wissen, wo er ist.«
    Irgendwo draußen auf den Straßen galoppierten Diarmuid und seine Männer dahin. In diesem Krieg würden sie Schwerter und Äxte schwingen,

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