Das wandernde Feuer
getan, als wüsstet Ihr nicht Bescheid?«
Und mit einem plötzlichen Auflachen entgegnete Diarmuid: »Ausgesprochene Kinderei«, wobei er eine annehmbare Imitation seines Bruders zustande brachte. Dann wandte er sich, immer noch lachend, dem finsteren, geradezu mörderischen Blick aus den Augen des Großkönigs zu. Vielleicht hatte er damit nicht in diesem Ausmaß gerechnet. Jedenfalls erstarb sein Lachen. Nun ist es endlich vorbei damit, dachte Shalhassan boshaft, auch wenn er ihm nicht persönlich ein Ende gemacht hatte. Der Jubel hatte sich noch nicht wieder gelegt.
Aileron sagte: »Du hast die ganze Zeit Bescheid gewusst.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ja«, gab Diarmuid schlicht zu. »Wir gehen unterschiedlich vor. Du hattest deine Aufstellungen und Karten.«
»Aber du hast mich nicht unterrichtet.«
Diarmuids Augen waren weit aufgerissen, und in ihnen lagen Fragen und, für den, der wusste, wonach er zu suchen hatte, eine lange gehegte Sehnsucht. Unter all den Menschen auf jenem Platz war Kevin Laine der einzige, der auf seinem Beobachtungsposten in der Menge diesen Blick gesehen hatte, und diesmal stand er zu weit weg, um eingreifen zu können. Doch die Stimme des Prinzen war gleichmütig, wenn auch sehr leise, als er vorbrachte: »Wie sonst hättest du dir Gewissheit verschaffen sollen? Wie sonst hättest du deine Planung am Ernstfall überprüfen können? Ich hatte damit gerechnet, dass du Erfolg hast, Bruder. Wir hatten Erfolg, in beiderlei Hinsicht.«
Langes Schweigen. Zu lange verweilte Ailerons Blick unter schweren Lidern hervor auf dem Gesicht seines Bruders. Der Jubel hatte sich mit der Zeit totgelaufen. Ein Pulsschlag. Noch einer. Das Aufkommen eines kalten, kalten Luftzuges.
»Prachtvoll gewebt, Diar«, lobte Aileron. Und überraschte sie allesamt mit der Wärme seines Lächelns.
Man schickte sich an, nach drinnen zu gehen. In beiderlei Hinsicht, dachte Shalhassan verdutzt. Sie hatten die ganze Zeit über Bescheid gewusst, und sie hatten sich innerhalb von zwei Stunden vorbereitet. Was waren das für Männer, diese beiden Söhne Ailells?
»Seid dankbar«, erklang neben ihm eine Stimme. »Sie stehen auf unserer Seite.« Er drehte sich um und wurde von einem Lios Alfar mit einem goldenen Augenzwinkern bedacht und von dem Zwerg namens Brock, der neben ihm stand, mit einem Grinsen. Noch ehe er wusste, was er da tat, lächelte Shalhassan.
Er hatte sie sofort abfangen wollen, doch sie war ihm weit voraus in dem feierlichen Zug, und sobald sie durch die mächtigen Portale des Palastes getreten war, wandte sie sich nach links, und er verlor sie in der überfüllten Eingangshalle aus den Augen. Dann kam, als er gerade dabei war, sich aus der Menge freizukämpfen und ihr zu folgen, Kevin auf ihn zu, und er musste stehen bleiben.
»Er war brillant, nicht wahr?« grinste Kevin.
»Diarmuid? Ja, sehr.« Paul erhob sich auf die Zehenspitzen, versuchte über die Köpfe der wogenden Menschenmenge hinwegzusehen. Man war mit den Vorbereitungen zu einem Bankett beschäftigt; Bedienstete und Höflinge rannten einander beinahe um, während sie kreuz und quer durch die Vorhalle eilten. Er sah, wie sich Gorlaes, der dicke Kanzler, der Gruppe aus Cathal annahm, zu welcher nun überraschenderweise auch noch eine Prinzessin gehörte.
»Du hörst ja gar nicht zu«, beklagte sich Kevin.
»Oh. Was?« Paul atmete tief ein. »Tut mir leid. Versuch’s doch noch mal mit mir.« Er brachte ein Lächeln zustande.
Kevin warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Alles in Ordnung mit dir? Nach dem, was letzte Nacht passiert ist?«
»Mir geht’s gut. Ich bin viel gelaufen. Was sagtest du gerade?«
Wieder zögerte Kevin, wenn er auch dabei ein anderes, zugänglicheres Gesicht aufsetzte. »Nichts weiter, nur dass Diarmuid innerhalb der nächsten Stunde aufbricht, um diesen Schamanen von den Dalrei herzuholen. Dave reitet mit, und ich auch. Wolltest du auch dabeisein?«
Und wie sollte er erklären, wie gern er dabei gewesen wäre? Wie gern er dabei gewesen wäre und die herzliche Geselligkeit und die ausgelassene Stimmung genossen hätte, die sowohl der Prinz als auch Kevin selbst mitten im Krieg um sich zu verbreiten wussten. Wie hätte er das erklären sollen, selbst wenn er die Zeit dazu gehabt hätte?
»Geht nicht, Kevin. Ich habe hier zuviel zu erledigen.«
»Aha. Na gut. Kann ich dir dabei helfen?«
»Jetzt noch nicht. Vielleicht später.«
»Fein«, sagte Kevin und täuschte Gleichgültigkeit
Weitere Kostenlose Bücher