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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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sehen.«
    Nachmittag war es. Der Atem von Männern und Pferden stieg in Form von Dunstwölkchen in der Kälte auf. Die Sonne, welche hoch am wolkenlosen blauen Himmel stand, glitzerte auf dem Schnee. Helllichter Nachmittag, und ans Fenster gelehnt dachte Kimberly, als sie in seine Augen blickte, wieder einmal an Sterne.
    Sie erkannte den hochgewachsenen Wächter, der die Tür aufmachte: Er hatte sie das letzte Mal, als sie dorthin gegangen war; zu Ysannes See begleitet.
    Seinen Augen war anzusehen, dass er sich ebenfalls an sie erinnerte. Dann änderte sich seine Miene, während er den Mann begutachtete, der gelassen neben ihr stand.
    »Sei gegrüßt, Shain«, sprach sie ihn an, ehe er sich zu Wort melden konnte. »Ist Loren hier?«
    »Ja, und der Lios Alfar, Herrin.«
    »Gut. Wärst du bereit, mich einzulassen?«
    Er hüpfte mit solcher Bereitwilligkeit beiseite, dass sie sich gewiss amüsiert hätte, wäre sie nur dazu in der Stimmung gewesen. Man hatte Angst vor ihr, wie sie einst Angst vor Ysanne gehabt hatten. Das war im Augenblick gar nicht komisch, nicht einmal eine Ironie, dies war weder der Ort noch die Zeit für solche feinen Gefühlsabstufungen.
    Mit einem tiefen Atemzug entfernte Kim ihre Kapuze, schüttelte ihr weißes Haar aus, und dann gingen sie hinein. Als erstes entdeckte sie Loren und nahm von ihm ein kurzes Nicken der Ermutigung entgegen – eines, das seine eigene Anspannung nicht zu verbergen vermochte. Sie sah Brendel, den silberhaarigen Lios Alfar, und Matt mit Brock, dem anderen Zwerg, und Gorlaes, den Kanzler.
    Dann wandte sie sich Aileron zu.
    Er hatte sich nicht verändert, wenn man davon absah, dass sich innerhalb eines Jahres noch stärker ausgeprägt hatte, was bereits in ihm angelegt gewesen war. Er stand vor einem großen Tisch, auf dem eine riesige Karte von Fionavar ausgebreitet lag. Die Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt, die Beine weit gespreizt, und die tiefliegenden, wohlvertrauten Augen richteten sich mit durchdringendem Blick auf sie. Doch sie kannte ihn: Irgendwie kannte unter allen Menschen ausgerechnet sie ihn, sie war seine Seherin, seine einzige, und sie las Erleichterung an seinem Gesicht ab.
    »Sei gegrüßt«, rief sie ihm zu. »Wie ich höre, hast du meine letzte Warnung erhalten.«
    »Wir haben sie erhalten. Willkommen daheim«, sagte Aileron. Und dann, im Anschluss an eine Pause: »Auf Zehenspitzen sind sie während der letzten halben Stunde um mich herumgeschlichen, Loren und Matt. Wärest du bereit, mir zu verraten, warum, und wen du da mitgebracht hast?«
    Brendel wusste es bereits; sie konnte die Verwunderung als silbernen Schimmer in seinen Augen ausmachen. Sie erhob ihre Stimme, damit sie sich klar und entschieden anhörte, wie es sich für eine Seherin geziemt, und erklärte:
    »Ich habe den Baelrath eingesetzt, wie es Ysanne vor langer Zeit erträumt hat. Aileron, Großkönig, neben mir siehst du Arthur Pendragon stehen, den Krieger, von dem die alten Sagen künden und der gekommen ist, sich unserer Sache zu verschreiben.«
    Ihre erhabenen Worte erklangen und verhallten dann in Schweigen, Wellen gleich, die sich am versteinerten Gesicht des Königs brachen. Jeder der Anwesenden in diesem Raum hätte es besser angefangen, dachte sie, und war sich schmerzlich bewusst, dass der Mann neben ihr sich nicht verbeugt hatte. Was auch nicht von ihm erwartet werden konnte, nicht gegenüber einem Mann der Gegenwart, doch Aileron war jung und noch nicht lange König, und –
    »Mein Großvater«, unterbrach Aileron dan Ailell dan Art ihre Gedanken, »wurde nach Euch benannt, und sollte ich eines Tages einen Sohn bekommen, wird auch er nach Euch benannt werden.« Und während die Männer im Raum sowie die eine Frau den Mund nicht mehr zubekamen vor Staunen, breitete sich ein herzliches Lächeln auf dem Gesicht des Großkönigs aus. »Keine Erscheinung, nicht einmal die von Colan oder Conary, könnte prachtvoller sein, mein edler Arthur. Oh, prachtvoll gewoben Kimberly!« rief er aus, und nachdem er sie im Vorübergehen fest bei den Schultern gepackt hatte, umarmte er stürmisch wie einen Bruder den Mann, den sie hergebracht hatte.
    Der erwiderte diese Geste, und als Aileron sich aus der Umarmung löste, zeigten Arthurs Augen zum allerersten Mal ein belustigtes Glitzern. »Man hat mir zu verstehen gegeben«, sagte er, »meine Anwesenheit könnte Euch nicht besonders willkommen sein.«
    »Mir dienen leider«, entgegnete Aileron mit spitzer Betonung, »Berater

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