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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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ihn ihr zu Füßen zu legen.
    In präzisem Gleichschritt neben ihm, weder davor noch dahinter, befand sich Diarmuid von Brennin. Gemeinsam knieten sie nieder, und als sie sich wieder erhoben, lagen die zwei prächtigen Mäntel, der dunkle und der weiße, vor ihr im Schnee, während auf dem dicht gedrängten Platz immer wieder ihr Name gerufen wurde.
    Shalhassan ließ seine Augen einen so gütigen Ausdruck annehmen, wie er nur konnte, um ihr zu erkennen zu geben, dass er zumindest im Augenblick sehr erfreut war. Doch sie schaute ihn nicht an.
    »Ich dachte, ich hätte Euch den Verlust eines Mantels erspart«, sagte sie zu Diarmuid.
    »Das habt Ihr auch. Wie könnte ich ihn besser nutzen als so?« In seinen Augen lag etwas sehr Seltsames.
    »Ist Artigkeit etwa ein ausreichender Ersatz für Unfähigkeit?« erkundigte Sharra sich liebenswürdig. »Ihr seid für den Süden verantwortlich, ist es nicht so?«
    »Wie die Miene meines Bruders Euch eigentlich schon verraten haben müsste«, lautete seine ernsthafte Zustimmung.
    »Hat er nicht allen Grund, missvergnügt zu sein?« fragte Sharra, ihren Vorteil nutzend.
    »Möglich«, erwiderte der Prinz, irgendwie abwesend. Stille breitete sich aus. Etwas sehr Seltsames. Und dann, als er aufs Neue zu sprechen anhob, blitzte es in seinen blauen, schelmischen Augen auf, und vor Vater und Tochter tat sich ein Abgrund auf, als sie seine Erheiterung gewahrten, die er nicht länger im Zaum halten konnte.
    »Averren«, rief Diarmuid. Und sämtliche Augen wandten sich dorthin, wo sich nun eine weitere Gestalt aus der Gruppe der vier verbliebenen Reiter aus Seresh löste. Auch dieser Mann nahm seine Kopfbedeckung ab, und darunter kam kurzes kupferfarbenes Haar zum Vorschein. »Erstatte Bericht«, gebot Diarmuid mit sorgsam unbeteiligter Stimme.
    »Ja, Herr. Als wir die Nachricht erhielten, dass das Heer von Cathal gen Westen zieht, habe ich Euch, wie befohlen, von der Südfeste aus davon unterrichtet. Wie gleichermaßen befohlen, habe ich mich ebenfalls in westlicher Richtung nach Seresh aufgemacht und bin gestern Abend nach Cynan übergesetzt. Ich habe gewartet, bis das Heer dort eingetroffen war, und, in cathalianischer Tracht, nach der Prinzessin Ausschau gehalten. Ich habe gesehen, wie sie einen Fährmann bestochen hat, sie in jener Nacht überzusetzen, und ich habe das gleiche getan.«
    »Und mein Geld verschwendet«, warf der Prinz ein. Auf dem Platz herrschte völlige Stille. »Sprich weiter.«
    Averren räusperte sich. »Ich hatte ja auch vor, den Tagespreis zu ermitteln, Herr. Äh … . in Seresh habe ich ohne große Mühe ihre Spur wieder aufgenommen. Heute Morgen hätte ich sie beinahe aus den Augen verloren, bin jedoch äh … . Eurem Verdacht nachgegangen, mein Herr und Prinz, und habe sie in Sereshtracht gekleidet bei den Gardisten wartend vorgefunden. Ich habe mit Herzog Niavin gesprochen und später mit den anderen drei Gardisten, und wir sind einfach mit ihr den ganzen Tag über vor dem Heer geritten, Herr. Wie befohlen.«
    Nach der Stille wurde es nun sehr laut. Laut wurde ein Name gebrüllt, gerufen, geschrien, lauter und immer lauter, bis der Lärm einen solchen Höhepunkt erreicht hatte, dass er auf dem besten Wege war, bis in die Gewölbe des Himmels droben und der Erde unter ihnen vorzudringen, so dass sowohl Mörnir als auch Dana hören konnten, wie sehr Brennin seinen herrlichen, lachenden Prinzen liebte.
    Shalhassan, der mit wütendem Eifer seine Berechnungen anstellte, rettete ein einziges, mageres Bröckchen Genugtuung aus der Asche dieses Nachmittags: Sie hatten die ganze Zeit Bescheid gewusst, doch obschon das schlimm war, so war es doch zumindest auch begreiflich und besser so, als wenn sie dies alles innerhalb von zwei Stunden und ohne jede Vorwarnung zustande gebracht hätten. Dieser Gedanke war, oder vielmehr wäre, einfach zu schrecklich.
    Dann riskierte er einen Blick in Ailerons Gesicht, und während er noch damit beschäftigt war, einen weiteren Pluspunkt hinzuzufügen, den Diarmuid an diesem Tag für sich verbucht hatte, bemerkte er, wie sich seine einzige Genugtuung auch noch in Asche verwandelte. Am Ausdruck im Gesicht des Großkönigs war es deutlich abzulesen – Aileron hatte von der ganzen Sache nichts gewusst.
    Diarmuid blickte Sharra an, und seine Miene war huldvoll: »Wie ich Euch bereits sagte, war der Mantel ein Geschenk, kein verlorener Wettgegenstand.«
    Mit hochrotem Gesicht fragte sie: »Warum seid ihr so verfahren? Warum habt ihr so

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