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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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keine Worte, mit denen man darauf hätte erwidern können, kein Mitleid, das tief genug gewesen wäre, dort heranzureichen, auch nur annähernd heranzureichen.
    Kim sah sie ebenfalls, die Augen des Mannes, den sie von einer verschwundenen Insel, von den Sternen herbeigerufen hatte. In den Krieg, hatte sie geglaubt, weil er gebraucht wurde. Doch als sie ihre Seele aufbegehren spürte, als sie in diesem Augenblick das Ausmaß des Fluchs begriff, der ihm auferlegt worden war, drehte Kims Herz sich um und um, als wollte es einen steilen Abhang hinunterstürzen. Den Abhang in eine Schlucht des Grams hinunter, der innigsten Liebe, innig erwidert, aufs innigste betrogen, der traurigsten Geschichte unter all den vielen langen Erzählungen, die uns überliefert sind. Sie wandte sich dem zweiten daran beteiligten Menschen zu. O Jen, dachte sie. O Jennifer.
    »O Guinevere «, stieß Arthur hervor. » O Vielgeliebte .«
     
    Gänzlich arglos war sie durch die langen Flure und die Steintreppe hinauf gegangen. Das Gestein der Mauern mit seinen gedämpften Farben passte so gut zu dem friedlichen Grau, das sie in ihrem Innern aufgebaut hatte. Alles würde gut werden, und wenn nicht, dann hatte es nicht sollen sein. Es bestand noch Hoffnung, dass Darien zu dem werden würde, was sie so tief ersehnt hatte, damals in den Tagen, da sie tiefer Empfindungen fähig gewesen war. Die Möglichkeit bestand noch, es gab Leute, die sich dessen bewusst waren. Sie hatte getan, was sie konnte, und das war so viel, wie ihr überhaupt möglich war.
    Sie betrat den Raum und lächelte, weil sie Kim sah und weil sie sah, dass sie denjenigen mitgebracht zu haben schien, auf den sie immer gewartet hatte. Dann sprach Brendel seinen Namen aus, und Arthur drehte sich ganz langsam um, und sie sah seine Augen und hörte, wie er sie bei einem anderen Namen rief, und Feuer brach aus, Licht, Erinnerung, so viel Liebe und Verlangen, eine Explosion in ihrer Brust.
    Dann eine andere Erinnerung, eine Explosion ganz anderer Art . Rangats Feuer, das emporstieg, bis es ihr die Sicht auf den Himmel nahm, und die Hand, die abgetrennte Hand, das Blut so schwarz, wie es seine Festung war, grünliches Licht, und rot waren seine Augen gewesen, die von Rakoth in Starkadh.
    Und hier ebenfalls. Rot waren sie. Und, oh, grausam traten sie dazwischen. Sie musste nur dort vorbei. Zu dem Tisch, an welchem Arthur stand. Von dem sie geliebt wurde, selbst jetzt noch, von dem sie beschützt werden würde. Doch der Entwirker hatte anders entschieden.
    Sie konnte ihrer nicht teilhaftig werden, niemals, der so vollkommenen Liebe, schon beim ersten Mal nicht, und nicht während der vielen anderen Male. Doch nie aus diesem Grund. Nie zuvor war es Fionavar gewesen. Schatten des Schattens und dagegen das Schwert des Lichts, die einzige, schönste, bitter enttäuschte Liebe, doch noch niemals Rakoth selbst. Sie kam nicht daran vorbei, nicht durch dieses Feuer hindurch, nicht vorbei an dem Brennen des Blutes auf ihrem Leib, nicht darüber hinweg, oh, sie konnte sich nicht über die Finsternis erheben und über das, was sie ihr angetan hatte.
    Nicht einmal bis an das rettende Ufer, das Arthur für sie bedeutete.
    Sie brauchte das Grau. Kein Feuer, kein Blut, keine Farben der Sehnsucht, des Zugangs zur Liebe. Sie sagte mit sehr klarer Stimme:
    »Ich kann nicht daran vorbei. Es ist besser so. Ich bin verstümmelt worden, doch zumindest werde ich keinen Treuebruch begehen. Er ist nicht hier. Es gibt keinen dritten. Die Götter mögen deine Klinge führen in der Schlacht und dir die letzte Ruhe gewähren.«
    In seinen Augen waren unzählbare fallende Sterne, unzählbar viele gefallene. Sie fragte sich, ob am Himmel wohl noch welche übrig sein mochten.
    »Und dir«, erflehte er nach langem Schweigen. »Mögen sie auch dir Ruhe gewähren.«
    So unzählbar viele gefallene Sterne, so unzählbar viele, die noch fielen.
    Sie wandte sich ab und verließ den Raum.

 
Kapitel 8
     
    Sie hatte sich natürlich alles selber zuzuschreiben, und ihr Vater hatte das auch ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn es der Thronerbin von Cathal beliebte, sich an einen Kriegsschauplatz zu begeben, würde sie sich so benehmen müssen, wie es ihrer königlichen Herkunft entsprach. Obendrein bestand die Notwendigkeit, nach dem gestrigen Desaster so gut es ging das Gesicht zu wahren.
    So kam es, dass Sharra nichts anderes übrig blieb, als den ganzen Morgen bis in den Nachmittag hinein im Vorzimmer des Königs an einem

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