Das wandernde Feuer
auf.
Weit im Norden, weit, weit entfernt, stieg ein perlfarbenes, strahlendes Licht in den Himmel empor. »Was ist das?« fragte einer.
»Daniloth«, antwortete Loren Silbermantel. Brendel stand neben ihm, und seine Augen waren von der Farbe dieses Lichts.
»Sie fordern es heraus«, hauchte der Lios. »Keinmal in tausend Jahren ist Daniloth enthüllt worden. Doch heute Abend liegen keine Schatten über dem Land des Lichts. Später, wenn sie den Schimmer zum Verblassen bringen, werden sie die Sterne beobachten. Über dem Atronel wird Sternenlicht zu sehen sein.«
Beinahe war es Gesang, so schön war seine Stimme, so übervoll mit Sehnsucht. Jeder einzelne der dort Anwesenden richtete den Blick auf jenes Strahlen und begriff, von Verwunderung erfüllt, dass es jede Nacht so gewesen war, ehe Maugrim gekommen war und der Bael Rangat, ehe Lathen die Nebel gewirkt hatte, um aus Daniloth das Schattenland zu machen.
»Warum?« fragte Sharra. »Warum tun sie das?«
Und wieder war es Loren, der darauf Antwort gab. »Um unsertwillen«, erklärte der hochgewachsene Magier. »Sie versuchen, ihn aus Starkadh hervorzulocken, versuchen zu erreichen, dass er seine Kräfte davon abwendet, den Winter zu erzeugen. Die Lios Alfar opfern sich, damit für uns die Kälte ein Ende hat.«
»Ein Ende doch gewiss auch für sie selber?« widersprach Gorlaes.
Ohne die Augen von dem Licht im Norden abzuwenden, antwortete Na-Brendel ihm. »Es gibt keinen Schnee in Daniloth. Dort blühen jetzt die Sylvain, wie sie es in jedem Sommer tun, und auf dem Atronel wächst grünes Gras.«
Sie schauten hin, stellten sich das Gesagte vor und waren dem schneidenden Wind zum Trotz ermutigt von diesem hehren Glanz, der Tapferkeit bedeutete und Heldenmut, ein Schauspiel des Lichts am Himmel, direkt vor den Pforten der Finsternis.
Während sie zusah, wurde Kim von einem Laut abgelenkt, einem sehr schwachen Laut, der sich in ihrem Kopf beinahe anhörte wie ein Knistern. Er war einem Rauschen ähnlicher als Musik, und er kam, soweit sie feststellen konnte, aus dem Osten. Sie hob die Hand; der Baelrath befand sich im Ruhezustand, was ihr wie ein Segen vorkam. Mit der Zeit hatte sie gelernt, sein Feuer zu fürchten. Sie verdrängte den raunenden Laut aus ihrem Bewusstsein – das war nicht weiter schwer – und wandte sich voll dem Licht aus Daniloth zu, versuchte daraus neue Kraft zu schöpfen und ein wenig Linderung für ihre Schuldgefühle und ihren Kummer. Es war weniger als achtundvierzig Stunden her, seit sie in Stonehenge gestanden hatte, und sie war durch und durch erschöpft, obwohl doch noch soviel zu tun war.
Und zwar, wie es schien, jetzt gleich.
Als sie in den Großen Thronsaal zurückkehrten, erwartete sie dort eine graugekleidete Frau. Ein Grau wie in den grauen Gewändern der Priesterinnen, und es war Jaelle, die sich an den Königen vorbeischob und das Wort an sie richtete:
»Aline, was ist?«
Die Frau im grauen Gewand sank vor Jaelle in einem tiefen Hofknicks zu Boden, dann ließ sie Aileron eine eher oberflächliche Version dieser Ehrenbezeugung zukommen. Wieder an die Hohepriesterin gewandt sagte sie, sehr bedachtsam, als hätte sie sich die Worte vorher genau eingeprägt:
»Ich soll Euch die ehrerbietigen Grüße der Mormae übermitteln und die Bitte Audiarts um Verzeihung. Sie hat ihre Botschaft durch mich gesandt, weil man der Ansicht war, die Männer hier. würden ihre Dringlichkeit leichter anerkennen, wenn wir uns nicht der Verbindung bedienen.«
Jaelle verhielt sich sehr still. Ihre Miene war frostig und abweisend. »Was für eine Dringlichkeit?« fragte sie, und ihre Stimme war gefährlich samtweich.
Aline errötete. Nicht um alles in der Welt möchte ich jetzt in ihrer Haut stecken, dachte Kim plötzlich.
»Noch einmal, Audiarts Bitte um Entschuldigung, Hohe Frau«, raunte Aline. »Es geschieht in ihrer Funktion als Hüterin von Gwen Ystrat, nicht in der als zweite der Mormae, dass sie mich hergeschickt hat. Mir wurde befohlen, dies Euch gegenüber ausdrücklich zu betonen.«
Kaum merklich entspannte sich Jaelle. »Nun gut –« begann sie, beendete jedoch nicht ihren Satz.
»Wenn dich meine Hüterin geschickt hat, dann solltest du eigentlich mit mir sprechen«, mischte sich Aileron ein, und seine Stimme war mindestens genauso kalt, wie die Jaelles es gewesen war. Die Hohepriesterin stand reglos und gleichmütig dabei. Von ihr war keine Hilfe zu erwarten, dachte Kim. Einen Augenblick lang bedauerte sie Aline, die in
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