Das wandernde Feuer
weinte, und sie war es, die ihr Trost spendete. Einst, in jener anderen Zeit, hatte sie sich im Klostergarten zu Amesbury befunden, als gegen Sonnenuntergang ein Bote eingetroffen war. Danach, beim Erscheinen der ersten Sterne am Himmel, hatte sie die anderen Frauen getröstet, die sie im Garten aufsuchten und weinten, als sie von Arthurs Tod erfuhren.
Es war sehr kalt. Der See war gefroren. Als sie nördlich davon in den Schatten des Waldes ritten, fragte sich Loren, ob er den König wohl an den alten Brauch erinnern müsse. Doch zum wiederholten Male versetzte Aileron ihn in Erstaunen. Als sie die Brücke über den Latham erreichten, sah der Magier ihn das Signal zum Anhalten geben. Ohne einen Blick zurück zügelte der König sein Pferd, bis Jaelle auf einem hellgrauen Reittier an ihm vorbei war. Arthur rief seinen Hund bei Fuß. Dann ritt die Hohepriesterin voraus, um sie über die Brücke nach Gwen Ystrat zu führen.
Auch der Fluss war gefroren. Der Wald schirmte sie ein wenig gegen den Wind ab, aber unter den hoch aufgetürmten grauen Wolken des Spätnachmittags lag das Land abweisend und düster da. Die Freudlosigkeit im Herzen Loren Silbermantels entsprach der des Landes, als er zum ersten Mal in seinem Leben das Gebiet der Mutter betrat.
Die Straße bog nach Süden ab, weg von dem Wald, wo sich die Wölfe aufhielten. Die Jäger beobachteten das Gehölz, stellte er fest. Sie blickten über die Schulter zurück auf die winterlichen Bäume. Seine eigenen Gedanken weilten jedoch woanders. Gegen seinen Willen drehte er sich um und schaute gen Osten. In der Ferne lagen die Berge der Carnevonkette, eisig und unbegehbar außer im Norden durch Khath Meigol, wo die Geister der Paraiko hausten. 5ie waren wunderschön, diese Berge, aber er riss sich von ihnen los und richtete den Blick auf einen näher gelegenen Ort, kaum zwei Reitstunden entfernt, gleich hinter der nächsten Hügelkette.
Es war gegen das Dunkelgrau des Himmels nur schwer auszumachen, aber er meinte, eine Rauchfahne von Dun Maura aufsteigen zu sehen.
»Loren«, wandte sich Matt plötzlich an den Magier, »ich glaube, wir haben etwas vergessen. Wegen des Schnees.« Er blickte zu seiner Quelle hin. Der Zwerg wirkte auf einem Pferd nie besonders glücklich, aber sein Gesichtsausdruck war weit finsterer, als es das gerechtfertigt hätte, und der gleiche Ausdruck lag auch in den Augen Brocks, der hinter Matt ritt.
»Was ist es?«
»Maidaladan«, sagte der Zwerg. »Die Sommersonnenwende fällt auf die morgige Nacht.«
Dem Magier entfuhr ein Fluch. Und im nächsten Augenblick schickte er ein stummes Gebet zum Weber am Webstuhl, ein Gebet, das erflehte, Gereint von den Dalrei, der sich hier mit ihnen treffen wollte, möge wissen, was er tat.
Matts Auge sah an ihm vorbei, und auch Loren wandte sich wieder gen Osten. Rauch oder Schatten auf den Wolken. Er konnte es nicht genau erkennen.
Und dann, in eben diesem Augenblick, spürte er den ersten Anflug von Verlangen.
Seine Ausbildung hatte ihn gelehrt, zu widerstehen, aber bereits nach wenigen Sekunden wusste er, dass nicht einmal die jünger von Amairgens Himmelslehre sich in Gwen Ystrat Danas Macht entziehen konnten, nicht am Abend vor Maidaladan.
Die Schar folgte der Hohepriesterin inmitten des hochgewirbelten Schnees durch Morvran. Die Straßen waren voller Menschen. Sie verbeugten sich, ohne jedoch zu jubeln. Dies war kein Tag für Jubel. Jenseits der Stadt gelangten sie zum Tempelbezirk, und dort sah Loren die Mormae warten, alle neun in Rot gekleidet. Seitlich hinter ihnen standen Ivor von den Dalrei und Gereint, der alte blinde Schamane; und noch weiter abseits hielten sich Teyrnon und Barak, denen die Erleichterung im Gesicht geschrieben stand. Als er die zwei erblickte, fühlte er, wie seine eigene Unruhe nachließ.
Vor den anderen stand eine Frau von über einem Meter achtzig Größe, breitschultrig und grauhaarig, mit geradem Rücken und hoch erhobenem Kopf. Sie war ganz in Weiß gekleidet, bemerkte Loren, demselben Weiß wie Jaelle, und da wusste er, dass dies Audiart sein musste.
»Heiter ist die Stunde Eurer Rückkehr, Erste der Mutter«, sagte sie mit kühler Förmlichkeit. Für eine Frau hatte sie eine sehr tiefe Stimme. Jaelle befand sich vor ihnen, so dass Loren ihre Augen nicht sehen konnte. Selbst im Licht dieses düsteren Nachmittags glänzte ihr rotes Haar, und er bemerkte, dass sie den Silberreif um die Stirn trug. Im Gegensatz zu Audiart.
Er hatte genügend Zeit, dies
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