Das wandernde Feuer
eng miteinander verknüpft war. Sie entsann sich jetzt. Beim ersten Anblick seines Gesichts hatte sie sich an alles erinnert, und auch die Sterne in seinen Augen waren ihr nicht neu – sie hatte sie schon einmal dort gesehen.
Auf ihr lastete kein Fluch so finster wie der, welcher auf ihm ruhte, denn kein so erhabenes Geschick, kein Faden des Gewirks war je mit ihrem Namen verbunden worden. Stattdessen war sie die Mittlerin seines Schicksals, das Werkzeug seiner langen Leidensgeschichte. Sie war gestorben, in Amesbury war sie gestorben – und sie fragte sich, warum ihr bei Stonehenge die Erinnerung daran nicht gekommen war. Sie hatte ihren Frieden gefunden, ihren ersehnten Tod, und sie wusste nicht, wie oft ihr Körper und ihre Seele zurückgekehrt sein mochten, ihn zu zerfleischen, um der Kinder und der Liebe willen.
Sie wusste es nicht, denn sie erinnerte sich nur jenes allerersten Lebens, da sie Guinevere gewesen war, die Tochter des Leodegrance, und zu ihrer Hochzeit nach Camelot geritten war, das nun – dahingegangen – für einen bloßen Traum gehalten wurde.
Ein Traum war es auch gewesen, doch mehr als das. Oh, sie war aus den Hallen ihres Vaters nach Camelot gekommen und hatte dort getan, was sie getan hatte, hatte gebebt, wie sie geliebt hatte, hatte einen Traum zerstört und war gestorben.
Sie war nur zweimal in ihrem Leben in Liebe entbrannt, zu den beiden glanzvollsten Männern ihrer Welt. Und der zweite war nicht minder strahlend gewesen als der erste. O nein, das war er nicht, was immer man danach auch über ihn erzählt haben mochte. Und die beiden Männer hatten einander ebenfalls geliebt, wodurch das Dreieck gleichseitig wurde, jene beinahe vollkommene Form annahm, die Leid zu erzeugen vermag.
Die traurigste Geschichte unter all den Sagen aus alter Zeit.
Aber, sagte sie sich, diesmal würde sie sich nicht noch einmal entfalten, nicht in Fionavar. »Er ist nicht hier«, hatte sie erklärt und war sich dessen sicher, denn wenn es überhaupt etwas gab, worüber sie Gewissheit hatte, dann über dies. Es gab keinen dritten, der mit leichtem, beneidenswertem Schritt einherkam, und mit Händen, die sie geliebt hatte. Ich bin verstümmelt worden, doch zumindest werde ich keinen Treuebruch begehen, hatte sie gelobt, während es Sternenlicht geregnet hatte.
Und das würde sie auch nicht. Hier war die Lage verändert, zutiefst verändert, denn Rakoth Maugrim hatte seinen Schatten zwischen sie geworfen, und über des Webers Hand am Webstuhl, und alles war unrein. Nicht weniger Schmerz, sondern mehr bedeutete das für sie, die das lichtlose Starkadh erblickt hatte, doch wenn sie nicht zur Liebe hinzufinden vermochte, konnte sie ihn auch nicht ins Verderben reißen, wie sie es zuvor getan hatte.
Sie würde hier bleiben. Umgeben von den graugewandeten Priesterinnen, Ton in Ton mit jenem Grau, dem ihre Seele entstiegen war, würde sie sich bei den Frauen im Heiligtum aufhalten, während er in den Krieg gegen die Finsternis zog, um der Liebe zu ihr und ihres Verlustes willen, und um der Kinder willen.
Was ihre Gedanken zu Darien zurücklenkte, während sie die stillen, gewundenen Gänge des Tempels durchschritt. Auch mit dieser Erinnerung schien sie sich abgefunden zu haben. Das war Pauls Werk. Paul, den sie nie verstanden hatte, dem sie jedoch nun vertraute. Sie hatte getan, was sie getan hatte, und man würde sehen, wohin der Pfad führte.
Gestern Abend hatte Jaelle ihr von Finn erzählt, als sie zusammensaßen. Sie hatte ein wenig um den jungen getrauert, der nun draußen weilte zwischen den weit verstreuten, kalten Sternen. Dann war Kevin noch sehr spät erschienen, hatte angeklopft, hatte Blut geopfert, wie es allen Männern auferlegt war, und war in ihr Zimmer getreten, um ihr mitzuteilen, dass Paul jetzt bei Darien und daher alles in Ordnung sei, soweit es überhaupt in Ordnung ‚sein konnte.
Danach hatte Jaelle sie alleingelassen. Jennifer hatte sich von Kevin verabschiedet, der am nächsten Morgen gen Osten reiten würde. Zwar hatte sie der gequälten Intensität seines Blicks nichts entgegenzusetzen, doch ihre neugefundene Sanftheit konnte sich der Trauer mitteilen, die sie schon immer in ihm wahrgenommen hatte.
Am Morgen war Jaelle ebenfalls fortgeritten und hatte sie in dem stillen Tempel zurückgelassen, durch den sie nun mit einer Gelassenheit wandelte, die sie nie für möglich gehalten hätte. Da drang auf einmal aus einer verborgenen Nische in der Nähe des Kuppelsaals verzweifeltes
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