Das wandernde Feuer
Meinungen. Und ebenso gut war es, Männer und Frauen zu treffen, von denen er schon viel hatte erzählen hören, denen er jedoch noch nie begegnet war: Shalhassan von Cathal und seine Tochter, die genauso schön war, wie es die Gerüchte über sie behaupteten; Jaelle, die Hohepriesterin, ebenso schön wie Sharra und ebenso stolz; Aileron, der neue Großkönig, der noch ein Kind gewesen war, als Loren ihn mitgenommen hatte, eine Woche beim dritten Stamm der Dalrei zu verbringen. Ivor hatte ihn als stillen Knaben in Erinnerung, dem alles gelang, woran er sich versuchte. Nun war aus ihm ein wortkarger König geworden, von dem die Rede ging, dass ihm immer noch alles gelang.
Da gab es noch ein neues Element, und auch das war Ergebnis des Krieges: Er, Ivor von den Dalrei, bewegte sich jetzt unter diesen hochgestellten Persönlichkeiten als Gleicher unter Gleichen. Er war nicht mehr bloß einer von neun Häuptlingen der Stämme der Ebene, sondern ein Fürst, erster Aven seit Revor selbst. Er konnte es noch kaum fassen. Leith hatte es sich angewöhnt, ihn zu Hause Aven zu nennen, und das nur halb im Scherz, wie er wohl wusste. Er merkte, wie stolz sie auf ihn war, auch wenn die ganze Ebene ins Meer geschwemmt werden müsste, ehe seine Frau so etwas zugeben würde.
Die Erinnerung an Leith ließ seine Gedanken an einen anderen Ort schweifen. Als sie von Norden her in Gwen Ystrat eingeritten waren, hatte er das hämmernde Verlangen in seinen Lenden gespürt und zu verstehen begonnen, was Maidaladan bedeutete, und wieder einmal war er Gereint dankbar gewesen, weil der ihm bedeutet hatte, seine Frau mitzubringen. Morgen Nacht würde es in Morvran wild zugehen, und er war nicht gerade glücklich darüber, dass auch Liane mit ihnen nach Süden geritten war. Doch in diesen Dingen ließen sich die unverheirateten Frauen der Dalrei von keinem Mann befehlen. Und seine Tochter Liane, dachte Ivor bedauernd, ließ sich auch in anderer Hinsicht kaum etwas sagen. Leith behauptete, das sei seine Schuld. Wahrscheinlich hatte sie recht. Seine Frau würde ihn in der Unterkunft erwarten, die ihnen hier im Tempel zugewiesen worden war. Aber das kam später. Jetzt galt es erst einmal, hier unter der Kuppel beim Duft von Weihrauch Geheimnisvolles zu vollbringen.
An diesem Ort hatten sich versammelt die letzten beiden Magier Brennins mit ihren Quellen; der älteste Schamane der Ebene, der obendrein bei weitem der mächtigste war; die weißhaarige Seherin des Großkönigtums; und die Hohepriesterin der Dana in Fionavar – das waren die sieben, die nun die Schatten von Zeit und Raum durchschreiten wollten, um zu versuchen, jene Tür zu öffnen, hinter der die Ursache der winterlichen Winde und des Eises zur Mittsommernacht verborgen lag.
Sieben sollten sich auf die Reise machen und vier sollten Zeuge sein: die Könige von Brennin und Cathal, der Aven der Dalrei, und der letzte der Anwesenden war Arthur Pendragon, der Krieger, dem als einzigem unter allen anwesenden Männern kein Blutopfer abverlangt worden war.
»Halt ein!« hatte Jaelle der Priesterin am Tor geboten, und Ivor schauderte ein wenig bei der Erinnerung an ihre Stimme. »Dieser nicht. Er ist in Avalon an Danas Seite gewandelt.« Und die graugewandete Frau hatte ihr Messer sinken lassen, damit Arthur passieren konnte.
Um schließlich mit Ivor und den anderen in diesem versenkten Saal unter der Kuppel zusammenzukommen. Das war Gereints Werk, dachte der Aven, schwankend zwischen Stolz und Besorgnis. Wegen des Schamanen befanden sie sich an diesem Ort, und der Schamane war es auch, der als erster das Wort ergriff. Doch nicht in der Weise, die Ivor erwartet hatte.
»Seherin von Brennin«, eröffnete Gereint die geheimnisvolle Sitzung, »wir sind hier versammelt, um Eurem Geheiß zu folgen.«
Also fiel es wieder ihr zu. Selbst an diesem Ort fiel es ihr zu, wie es in letzter Zeit mit so vielem geschehen war. Es war noch gar nicht lange her, da hätte sie gezweifelt und sich gefragt, warum das so sein musste. Hätte sich zumindest im Stillen gefragt, wer sie denn war, dass die hier versammelten Mächtigen sich ihr unterordneten. Was für eine Bedeutung hatte sie, hätte ihre innere Stimme gerufen, dass es so sein musste?
Damit war es vorbei. Kim nahm Gereints Unterordnung als etwas hin, das ihr, die als einzige unter den Anwesenden wahre seherische Fähigkeiten besaß, von Rechts wegen zustand, und nur ganz am Rande ihres Bewusstseins beklagte sie den Verlust ihrer Unschuld. Sie
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