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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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die unscheinbar in den hohen Felsen hineinragte. Er führte sie zu zwei weißen Zelten, die vor dem Eingang zu KV78 aufgestellt waren, in denen Archäologen und Helfer kleine Fundstücke und Tonscherben säuberten und katalogisierten, ehe sie zur weiteren Prüfung nach Luxor und Kairo gebracht wurden. Rechts vor dem Zelt durchsiebten drei Mitarbeiter auf der Suche nach Perlen, Scherben, Holzsplittern oder Pflanzensamen das Sandgemisch, das in regelmäßigen Abständen aus dem Grab gebracht wurde.
    »Jede Kleinigkeit ist wichtig«, erklärte Kennard und deutete auf die Männer, die ständig hinter einer braunen Staubwolke verschwanden. Karen nickte und wollte ihm und El Bahay ins Grab folgen, als jemand nach dem Chefarchäologen verlangte. »Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment, aber einer unserer Studenten hat anscheinend etwas Interessantes auf einem Ostrakon entziffern können. Mr El Bahay kann Sie auch allein nach unten führen. Er kennt das Grab genauso gut wie ich, wenn nicht sogar noch besser.«
    Dieser lächelte verschmitzt und machte eine einladende Handbewegung in das vom künstlichen Licht erhellte Grab. »Bitte, Mrs Alexander.«
    Karen zögerte an der Schwelle. Wie in Trance hob sie die rechte Hand und strich sanft über den rauen Felsen am Grabeingang. Eine leichte Melancholie erfasste sie, als sie den Kalkstein berührte und die Treppenstufen hinabschaute, die tief in das Grab des Pharaos führten. Mansfield legte seine Hand auf ihre, und sie spürte, wie seine Wärme ihre Hand durchströmte und vom Felsen aufgesogen zu werden schien. Ein Fels, den seit über dreitausend Jahren niemand mehr berührt hatte.
    Angekommen.
    Mansfield kannte diesen traurigen Blick bei ihr schon von Paris her, und auch er konnte sich einer unerklärlichen Niedergeschlagenheit nicht erwehren. Dieses Grab deprimierte ihn. Vielleicht sollten sie doch nicht hineingehen? Aber El Bahay stand neben ihnen und zeigte auf die steinernen Stufen, die steil in den Felsen hinabführten. Das Grab wartete auf sie.
    Karen und Mansfield warfen sich einen langen Blick zu, dann löste Karen die Hand vom Felsen, und mit einem entschuldigenden Lächeln in El Bahays Richtung nahm sie die ersten Treppenstufen.
    Im ersten Korridor deutete El Bahay auf die millimetergenauen Flachreliefs, die den Pharao mit Re-Harachte, den falkenköpfigen Sonnengott, zeigten und Szenen aus der Litanei des Re darstellten.
    »Ein weiterer Hinweis darauf, dass dieses Grab in die Zeit zwischen der 18. und 19. Dynastie einzuordnen ist. Nach der nächsten Treppe folgt ein Korridor mit Szenen aus dem Amduat «, erklärte er.
    »Dem Buch Von dem, was in der Unterwelt ist «, fügte Karen hinzu.
    El Bahay nickte. »Richtig. Oder auch Die Schrift der Verborgenen Kammer genannt.«
    Alle drei sahen auf die Darstellungen des Sonnengottes Re-Harachte, der mit menschlichem Körper, Falkenkopf und roter Sonnenscheibe über seinem Haupt die Reise durch die zwölf Nachtstunden antrat, denen in der Unterwelt zwölf Abteilungen entsprachen. Und wie er am Morgen, wenn er die Unterwelt erfolgreich durchquert hatte, im Osten wiederauferstand.
    Einige Meter weiter mussten sie am rituellen Brunnenschacht anhalten und zwei Ägypter vorbeilassen, die vorsichtig über die dünnen Holzbalken balancierten, die Kennard und seine Mitarbeiter über den künstlichen Graben geschoben hatten. Dann folgten sie El Bahay weiter in einen 10 x 10 m großen Vier-Pfeiler-Saal, der mit prachtvollen Malereien ausgestattet war.
    » Das Buch der Pforten «, erklärte El Bahay und zeigte auf die weißgetünchte Wand mit den bunten Malereien, auf denen der tote Pharao im edlen weißen Leinengewand in Begleitung mehrerer widder- und skarabäusköpfiger Götter zu sehen war. Zwar gab es überall feine Risse, und an einigen Stellen war die bemalte Stuckwand abgeplatzt, aber dennoch konnten sich Karen und Mansfield der Faszination der alten Malerei nicht entziehen.
    Karen ging einige Schritte voraus, doch dann bemerkte sie, dass Mansfield sich an eine der Säulen lehnte, und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Fürsorglich legte sie eine Hand auf seine Schulter. »Was ist mit dir? Du siehst blass aus.«
    »Nichts«, sagte er leise. Sein Hals war plötzlich staubtrocken, während er auf das kleine Osiris-Halbrelief starrte, das an der Westseite der Säulenhalle in die Wand eingearbeitet war. »Es ist nichts. Lass uns weitergehen.« Energisch stieß er sich von der Säule ab und folgte El Bahay, der sie

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