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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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sie im alten Ägypten gegeben hat, gibt es seit 1970 nicht mehr. Statt drei Ernten können die Fellachen nun sechs Ernten einfahren. Aber die Nilüberschwemmungen haben früher auch neue Erde auf den Feldern hinterlassen. Das geschieht nun nicht mehr. Die Felder sind ausgemergelt und müssen mit Kunstdünger und Mineralien versorgt werden, und das kostet wieder Geld.« Dawson zuckte hilflos mit den Schultern. »Der Staudamm hat viel Unheil gebracht, nicht nur für uns Ägyptologen. Die Nachteile werden kommen, da bin ich mir ganz sicher. Doch lassen Sie uns wieder über erfreulichere Dinge reden. Mit dem Fund des neuen Grabes haben wir wirklich einen guten Fang gemacht. Die Mumien sind eine Sensation. Aber wir bitten Sie, mit niemandem darüber zu reden. Wir brauchen noch ein, zwei Monate Ruhe, ehe wir mit den neuen Informationen an die …ffentlichkeit gehen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.«
    »Natürlich«, erwiderte Karen. »Wir werden mit niemandem darüber sprechen, nicht wahr, Michael?«
    »Nein, sicher nicht.«
    Sie verabschiedeten sich von Dawson und gingen beide in Gedanken die schmalen Straßen zum Souk entlang, als sich eine Horde bettelnder Kinder und Touristen-Schlepper auf sie stürzten. »Missi parlez fran ais? English? Ah, almâni!« Über eine halbe Stunde wurden sie von den Kindern in ihren zerschlissenen braunen Galabiyas bedrängt, ehe Mansfield sie mit einigen Bonbons abwimmeln konnte und der Schwarm sich auf die nächsten Touristen stürzte.
    Dawson hatte Recht, am Anfang des Souk waren einige kleine Touristenläden deren Besitzer ihnen Silberteller, Holzarbeiten, bunte Papyri, Götterstatuen aus Speckstein, Schmuck, Parfüm und bunte Teppiche anboten. Tatsächlich kaufte Karen nach zähem Feilschen einen kleinen Skarabäus, der dreitausend Jahre alt sein sollte, aber wahrscheinlich nicht einmal dreißig Tage alt war. Und in einem anderen Laden kaufte sie einen Papyrus mit der Maat, der hervorragend über der Wohnzimmertür ihrer Wohnung in Hamburg aussehen würde.
    »Wenn wir uns noch Karnak anschauen wollen, müssen wir uns beeilen. Wir sollten eine Kalesche nehmen«, schlug Mansfield vor, als sie wieder auf der Straße waren und sich langsam dem Ende des Souks näherten. Die Läden wurden immer dunkler und schmuddliger und endeten schließlich in Lebensmittelständen, die für sie nicht mehr interessant waren.
    Mansfield wollte gerade einem Kutscher zuwinken, als Karen ihn am Arm festhielt. »Nein, nicht Karnak.«
    Michael sah sie irritiert an. »Nicht? Aber es ist der größte Tempelkomplex in ganz Ägypten.«
    »Ich weiß, aber ich möchte dort nicht hin. Bitte lass uns hier bleiben und am Luxor-Tempel entlang zum Fluss zurückgehen.«
    »Ich kann dich wirklich nicht zu einer romantischen Kutschfahrt auf der Corniche entlang Oleanderbüschen und Palmen überreden?«
    »Nein.«
    Mansfield hätte zwar gern noch den größten Tempel des Landes besucht, aber sie hatten wirklich nicht mehr viel Zeit. Kennard erwartete sie in einer halben Stunde am Westufer. »Mit einem Taxi über die Nilbrücke kämen wir schneller über den Fluss«, schlug er vor, aber Karen schüttelte den Kopf.
    »Nein, lass uns eine Fähre nehmen. Ich möchte den Nil spüren und nicht nur sehen oder ihn auf einer Brücke überqueren.«
    »Okay, kein Problem.«
    Sie gingen an den hohen Steinmauern des Luxor-Tempels entlang zur alten Prozessionsstraße zwischen Karnak und Luxor, wo Karen sich neben eine der alten Widder-Sphinxen setzte. Gedankenverloren schaute sie auf die Ruinen des Tempels.
    Mansfield warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Was ist mit dir, Karen?«
    »Siehst du das Tor?«, fragte sie.
    Er folgte ihrem Blick und sah auf die Statuen des großen Ramses vor dem Tempel, den mächtigen Pylon mit der Darstellung der Schlacht bei Kadesch und den rosafarbenen Granit-Obelisken, der dem wolkenlosen Himmel seine Spitze entgegenreckte.
    »Dreitausend Jahre«, seufzte Karen.
    »Wie bitte?«
    »Dreitausend Jahre hat der Obelisk vor dem Tempel gestanden.«
    Mansfield schaute auf das leere Podest rechts neben dem Obelisken – sein Pendant fehlte. »Wenn ich mich recht erinnere, war es aber nicht Napoleon Bonaparte, der das gute Stück geklaut hat.«
    »Nein, hat er nicht. Der Statthalter von Ägypten hat beide Obelisken Napoleon III. geschenkt. Aber die Franzosen haben nur einen genommen, weil dieser hier einen Riss hat.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie konnte Mohammed Ali das nur tun? Wie konnte er die Obelisken

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