Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
Vom Netzwerk:
Treppe gelangten sie in einen größeren quadratischen Raum, der ungefähr drei Meter hoch und bis zu zwei Drittel mit Geröll verschüttet war. Kennard hob die Hand und deutete auf eine weiße Säule, die aus dem Schutt herausragte.
    »Sehen Sie? Dies ist die mittlere Säulenkammer mit sechs Säulen, die aber noch nicht alle freigelegt sind. Kommen Sie, hier«, er zeigte auf zwei kleine Nebenkammern des Hauptgangs, der sich hinter der Säulenhalle in den Fels erstreckte. »Die Kammern waren leider leer, und wir wissen nicht, ob dort jemals jemand begraben wurde. Aber wir haben noch nicht den Schutt durchsiebt. Vielleicht finden sich darin einige kleine Scherben, die Hinweise geben. Es bleibt spannend. Kommen Sie.« Sie gingen weiter nach hinten, wo sie am Ende des Gangs an eine Treppe gelangten, deren wenige Stufen sie noch tiefer in den Felsen hinabführten.
    »Wie tief ist dieses Grab eigentlich?«, fragte Karen, als sie merkte, dass die Gänge und Korridore kein Ende zu nehmen schienen.
    Kennard kratzte sich am Hinterkopf. »Es ist um die hundert Meter lang.«
    Karen blieb plötzlich stehen, sodass Mansfield mit ihr zusammenstieß.
    »Was ist los?«, fragte er flüsternd, während Karen sich unsicher umsah.
    »Ich … ich fühle mich hier nicht wohl«, stammelte sie, »so tief im Felsen.«
    Mansfield hob eine Augenbraue. »Also hast du nicht nur Höhenangst, sondern auch Klaustrophobie?«
    Sie nickte, und trotz der großen Hitze trat ihr kalter Angstschweiß auf die Stirn.
    Mansfield versuchte sie zu beruhigen. »Glaub mir, du brauchst keine Angst zu haben. Das ist stabiler Felsen um uns herum, da kann gar nichts passieren.«
    »Und was ist mit dem Riss dort drüben?« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung einer Wandmalerei, durch die ein mannshoher gezackter Strich verlief.
    »Der ist sicher durch ein Erdbeben entstanden«, sagte Mansfield und bereute seine Worte sofort, als er ihre Augen groß werden sah.
    »Erdbeben?«, keuchte sie und legte eine Hand auf die Brust. »Ich muss hier sofort raus!«
    Aber genau in dem Augenblick winkte Kennard sie mit einer großen Taschenlampe herbei. »Kommen Sie und sehen Sie sich unsere Zwillingskammern an. Hier haben wir sie gefunden, unsere zwölf Prachtexemplare.«
    Er breitete die Arme aus und leuchtete auf die schönen Wandbilder der rechten Kammer.
    Mansfield hatte Karen schnell hineingeschoben, bevor sie flüchten konnte, und beide schauten nun völlig fasziniert auf die alten Malereien, auf denen braungebrannte Männer Vögel jagten oder auf den Feldern Korn ernteten, während andere Weintrauben sammelten und sie dem Pharao überbrachten, der mit seiner Familie ihre Gaben erwartete. Von seinen schakal-, ibis- und skarabäusköpfigen Göttern beschützt, saß der Pharao in seiner Pracht auf einem Schemel und überwachte die Arbeit seiner Diener. Die Decke der Kammer war übersät von goldfarbenen fünfzackigen Sternen, die dicht an dicht an einem lapislazuliblauen Firmament glänzten, während die sieben Horus-Söhne über der Tür die Kammer bewachten.
    Karen und Mansfield waren völlig verzaubert von den Sternen und Wandbildern, die seit dreitausend Jahren niemand mehr gesehen hatte und die so gut erhalten waren, als wären die Maler gerade eben erst fertig geworden.
    »Unglaublich«, flüsterte Mansfield beeindruckt, während seine Blicke von einer Bildszenerie zur nächsten wanderten.
    »Wunderschön«, erklärte Karen, deren Angst völlig verschwunden war. »Einfach wunderschön.«
    Kennard sah sie freudestrahlend an. »Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass es sich lohnen würde. Aber bitte, fassen Sie nichts an.« Er hatte bemerkt, wie Karen auf die eine Wanddarstellung zugegangen war und Anstalten machte, das Bild zu berühren.
    »Das ist Maat, nicht wahr?«, sagte Karen, ließ die Hand sinken und blickte fasziniert auf die zarte Frauengestalt, die ihre Arme mit den federbesetzten Schwingen schützend über den Pharao hielt.
    »Ja, eine Darstellung ähnlich wie im Grab der Nefertari im Tal der Königinnen, falls Sie es kennen.«
    Karen nickte. »Ich habe Bilder davon gesehen.« Sie berührte ganz sanft mit dem Zeigefinger den Kopf und die Feder der Maat. »Wunderschön …«
    »Bitte …« Kennard stand neben Karen und warf ihr einen auffordernden Blick zu, der sie wieder zu sich kommen ließ.
    Sie räusperte sich. »Entschuldigen Sie. Ich hätte das nicht tun sollen.« Rasch zog sie die Hand weg und ging zu Mansfield, der am Eingang zur Kammer auf sie wartete. Er

Weitere Kostenlose Bücher