Das weiße Amulett
betrachtet hatte, in den nächsten Korridor.
Der Ägypter führte sie weiter ins Grab und deutete mit der linken Hand an die Wand. »Das Ritual der Mundöffnung. Damit das Ka in den Körper des Pharaos zurückkehren und er ewig leben kann.« Er zeigte auf eine Hieroglyphenkolumne neben der gezeichneten Mumie mit der Totenmaske und las den jahrtausendealten Text.
ISIS spricht:
»Ich bin gekommen, damit ich dein Schutz sei,
ich habe Atemluft an deine Nase gefächelt,
den Nordwind, der aus ATUM hervorgeht.
Ich habe dir deine Kehle zusammengefügt
Und habe dich ein Gott sein lassen,
deine Feinde unter den Sohlen,
sodass du triumphierst im Himmel bei RE
und machtvoll bist unter den Göttern,
über Menschenaugen verfügst
und deinen Gang gehst,
den Gang des siegreichen HORUS.«
Mansfield schluckte, während er schweigend El Bahays Worten lauschte und die Zeichnung eines Sempriesters betrachtete, der mit kahl geschorenem Kopf und mit Leopardenfell geschmücktem weißem Leinengewand vor der Mumie des toten Pharaos stand und die Mundöffnungszeremonie durchführte. Er blickte zu Karen, die wenige Schritte vor ihm stand. Alles schien in Ordnung. Er fühlte sich merkwürdig. Er konnte es nicht beschreiben, aber da war etwas, das ihm alle Innereien in einem Krampf zusammenzog.
Doch auch Karen wurde immer unruhiger, je tiefer sie in das Grab vordrangen. Die Hitze im Inneren des Felsens wurde allmählich unerträglich, und die Luft war entsetzlich stickig.
El Bahay aber führte sie weiter in einen dritten Korridor, als sie plötzlich ein Geräusch hinter sich hörten und Kennard zu ihnen kam. Er wischte sich mit einem Taschentuch über die schweißnasse Stirn, und ein Glitzern war in seinen Augen, als er sie vor der nächsten großen Kammer erreicht hatte.
»Nun, was sagen Sie, Mrs Alexander? Ist das Grab nicht traumhaft? Es kann mit seinen Malereien und Reliefs durchaus mit dem Grab von Sethos I. mithalten, nicht wahr?«
Karen stimmte ihm nickend zu. Sie war allmählich erschöpft von den Zeichnungen und der physischen Belastung, der sie tief im Felsen ausgesetzt war. Wie hatten die Handwerker vor dreitausend Jahren diese Hitze ertragen und dieses Grab bauen können? Sie war froh, dass sie in einem Jahrhundert lebte, in dem eine Dusche und eine Badewanne im Hotel auf sie warteten.
Kennard übernahm nun die Führung und ging mit seinem fülligen Körper an Karen und Mansfield vorbei.
»Diese Cachette wurde wahrscheinlich erst vor vier Monaten von Einheimischen entdeckt, wenn man ihren Aussagen glauben darf, aber sie sind nur bis in die vorderen Kammern eingedrungen, die Sie bis jetzt gesehen haben. Der Schutt in der Sechs-Pfeiler-Halle hat sie zum Glück aufgehalten. Kein Wunder, das Zeug ist hart wie Beton. Wir sind selbst kaum durchgekommen. Allerdings haben wir uns sehr vorsichtig durchgearbeitet, weil man nie weiß, was für ein Schatz vielleicht in dem Schutt verborgen ist. Langsamkeit ist eines der ersten Dinge, die man als Archäologe lernt, das dürfen Sie mir glauben. Hier, sehen Sie? Die unterschiedlichen Schuttschichten zeigen an, dass der mittlere Teil des Grabes von mindestens sieben Geröllstürzen und Wassereinbrüchen heimgesucht wurde. Diese Naturgewalten haben zwar eine Menge der ursprünglichen Wandmalereien zerstört, aber die hinteren beiden Kammern sind erfreulicherweise fast vollständig erhalten geblieben. Leider hat es anscheinend doch jemand vor uns geschafft, dorthin zu gelangen, denn zehn Sarkophage waren aufgebrochen und die Leinen der Mumien zerschnitten. Einige Amulette und Grabbeigaben sind wahrscheinlich unwiederbringlich verloren, aber dafür sind die restlichen zwei Mumien sehr gut erhalten. Wir sind noch dabei, herauszufinden, ob die Mumien in den richtigen Sarkophagen lagen, denn nach dem Fund der Cachette von Deir-el-Bahari mit hundertsechzig Särgen sind wir damit ein wenig vorsichtig geworden. Aber so wie es aussieht, bezeugen die Amulette der Mumien dieselbe Identität wie die Namen auf den Sarkophagen.«
Karen fröstelte trotz der Hitze. »Sind die Sarkophage noch im Grab, oder haben Sie sie schon nach Luxor gebracht?«
»Wir haben sie und die Mumien sofort aus Sicherheitsgründen nach Kairo abtransportiert. Wenn wir sie hier belassen und es sich herumgesprochen hätte, dass hier zwölf beinahe unversehrte Mumien mit ihren Amuletten und edelsteinbesetzten Pektoralen liegen, hätten wir für nichts mehr garantieren können.«
Nach einer kurzen abwärts führenden
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