Das weiße Grab
doch ohnehin schon am Telefon bin. Spielen Sie Billard?«
»Sie meinen dieses Spiel mit den langen Stöcken und den Kugeln auf einem Tisch?«
»Genau, scheint so, als hätte ich den richtigen Sparringspartner gefunden. Kommen Sie, gehen wir rein und gucken wir, ob ein Tisch frei ist.«
»Okay, Karambolage bis sechzig, Sie fangen an.«
»Jetzt klingen Sie eher wie ein Hai. Aber schauen wir mal, was Sie so draufhaben.«
[home]
15
W as hatte es mit dieser Lesbenspur auf sich, Konrad?«
Die Tür zu Konrad Simonsens Büro stand offen, und Pauline Berg war einfach eingetreten. Sie stellte fest, dass ihr Chef und die Comtesse offensichtlich gerade gehen wollten. Sie hatte keine Ahnung, wohin. Kurz zuvor war sie darüber informiert worden, dass die für diesen Tag angesetzte Besprechung über das psychologische Profil von Andreas Falkenborg kurzerhand abgesagt worden war. Auch das war mit keiner Silbe begründet worden. Beides ärgerte sie, denn sie fühlte sich außen vor. Sie stellte ihre Frage deshalb ohne jede Einleitung und mit einem aggressiven Unterton, was sie zu ihrer eigenen Überraschung nicht einmal bereute.
Konrad Simonsen sah seine junge Mitarbeiterin neugierig an. So hatte er sie noch nie erlebt. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und versperrte ihnen richtiggehend den Weg. Er musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Er wollte ihr Selbstbewusstsein und ihre Hartnäckigkeit auf keinen Fall schwächen. An den Ausdruck
Lesbenspur
erinnerte er sich noch gut, wenn er auch nicht glaubte, ihn jemals benutzt zu haben. Soweit er sich erinnerte, war Kaspar Planck, sein alter Chef, mit dieser Bezeichnung gekommen. Er antwortete ihr, während er übertrieben deutlich auf seine Uhr schaute.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich weiß, wovon du redest, Pauline. Musstest du nicht los?«
Die letzte Frage hatte er an die Comtesse gerichtet, die wieder Platz genommen hatte.
Sie lächelte ihn süffisant an. »Nein, nein, die fünf Minuten kann ich noch warten. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.«
Pauline Berg zeigte mit dem Finger auf ihren Chef und fuhr fort: »Du kennst den Stevns-Fall wie deine Westentasche, und es ist deine Handschrift, die am Rand eines Vernehmungsprotokolls von Carl Henning Thomsen steht:
Achtung, Lesbenspur folgen.
Und als du uns am Montag diesen Fall vorgestellt hast, war auch die Rede von einer angehenden lesbischen Beziehung. Ich bin den ganzen Fall jetzt zweimal durchgegangen und kann nicht eine Freundin von Catherine Thomsen finden. Jedenfalls keine solche Freundin. Es ist mir deshalb ein absolutes Rätsel, wie ihr auf die Idee kommen konntet, dass sie lesbisch war. Das geht aus den Akten nirgendwo hervor. Oder auf die Idee einer angehenden lesbischen Beziehung.«
Sie hörte selbst, dass sie ein bisschen durcheinandergekommen war, aber Konrad Simonsen sagte versöhnlich: »Vielleicht solltest du dich setzen und noch einmal von vorne anfangen.«
Sie folgte seinem Rat. Andreas Falkenborgs Name und Bild waren allen Zeugen im Stevns-Fall vorgelegt worden. Es war ein Riesenaufwand, trotzdem hatten sie die Zeugenbefragung in Rekordzeit durchgeführt. Das Resultat war jedoch negativ, denn nicht ein einziger der Befragten hatte ihn erkannt. Währenddessen war Pauline aufgefallen, dass Catherine Thomsens angebliche Lebensgefährtin bei dieser Befragung fehlte. Sie ärgerte sich darüber, da gerade die Freundin etwas über eine mögliche Verbindung wissen könnte. Je mehr Pauline sich anschließend in die Akten vertieft hatte, desto größer wurde ihre Verwunderung. Die Freundin tauchte nämlich nirgends auf, sah man einmal von Konrad Simonsens etwas respektloser Regieanweisung ab. Das Ganze passte nicht zusammen. Catherine Thomsen konnte doch wohl kaum lesbisch sein oder dabei gewesen sein, eine lesbische Beziehung einzugehen, ohne dass es eine Freundin gab.
Konrad hatte ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Als sie zum Ende gekommen war, erklärte er ihr: »Wir haben die Informationen am Ende der Ermittlungen erhalten. Zwei oder drei Wochen vor Carl Henning Thomsens Selbstmord. Wer die Freundin war, haben wir nicht mehr herausgefunden, aber dass sie existierte, ist ziemlich sicher. In Wahrheit hat man vermutlich nie intensiv nach ihr gesucht. Wir waren ja – und das weißt du – ziemlich überzeugt davon, den richtigen Täter zu haben.«
»Wie habt ihr von der Freundin erfahren?«
»Hast du jemals von einer Kirche gehört, die sich ›Die Lilien auf dem
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