Das weiße Grab
Pause; ihr Gegenüber bemerkte ihr Zögern und sagte ruhig: »Sie reden da von sehr einflussreichen Menschen. Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon die ganze Geschichte erzählen.«
»Ich glaube, dass Bertil Hampel-Koch 1983 in Grönland war und da ein Mädchen geschwängert hat, das später auf dem Inlandeis ermordet worden ist«, fuhr die Comtesse fort.
Er nahm sich Zeit, die Information zu verdauen, und sagte schließlich tonlos: »Das ist eine hochkarätige Theorie. So etwas höre ich nicht jeden Tag. Jetzt haben Sie sogar mich neugierig gemacht. Aber wenn Sie glauben, dass er diese Frau umgebracht hat, dann irren Sie sich.«
»Nein, er hat niemanden umgebracht, das weiß ich selber. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt richtigliege. Ich habe einfach einen Verdacht.«
»Erzählen Sie weiter.«
Die Comtesse unterrichtete ihn über ihr Gespräch mit Allinna Holmsgaard und weihte ihn dann in ihre Theorie ein: »Als die Professorin mir von Steen Hansens Stimme erzählt hat, oder besser gesagt, der Stimme von Maryann Nygaards unbekanntem Geliebten, kam mir in den Sinn, dass ich gerade erst jemanden mit einer solchen Stimme kennengelernt hatte, nämlich Bertil Hampel-Koch. Das sind natürlich alles nur Spekulationen, aber verbindet man das mit der seltsamen Einmischung von ihm und Helmer Hammer in den Mordfall, dann … ja, dann macht das Sinn, ja, ich glaube wirklich daran, je mehr ich darüber nachdenke.«
Der Mann fragte kurz: »Einen anderen Grund für diese seltsame Einmischung, wie Sie das nennen, sehen Sie nicht?«
»Erst verschafft Hampel-Koch sich mit dem merkwürdigen Argument internationaler Verwicklungen zwischen Amerikanern, Grönländern und Deutschen Zugang zu unseren Ermittlungen, und dann verlässt er voller Zorn gleich wieder unsere erste Besprechung, weil ihn jemand beleidigt hat, woraufhin Helmer Hammer schneller auftaucht, als man gucken kann. Ich weigere mich zu glauben, dass dort oben im Außenministerium ein Mann sitzt, der sich so impulsiv, um nicht zu sagen dümmlich, aufführt.«
Ein Lächeln glitt über das Gesicht des Mannes.
»Genau das mag ich an euch Polizisten so. Ihr seid wirklich denkende Menschen, die man nicht so leicht hinters Licht führen kann wie all die anderen. Aber auch wir können eins und eins zusammenzählen, und die Geschichte mit der Stimme ist mir eigentlich zu unsicher. Sie müssen noch mehr haben, sonst würden Sie nicht hier sitzen. Haben Sie Bertil näher unter die Lupe genommen?«
Die Comtesse zuckte zusammen. Der Mann hatte recht. Es gab noch mehr, aber das hätte sie lieber für sich behalten.
»Bertil Hampel-Koch hat Maryann Nygaard seine Mütze geschenkt. Das glaube ich jedenfalls. Damals hat er behauptet, seine Mutter hätte sie gestrickt, aber das Etikett in der Mütze verwies auf einen kleinen Laden in Holte namens
Heksestrik.
Der Laden hat nur etwa achtzehn Monate existiert, nämlich von 1982 bis 1983, und wurde von drei Freundinnen geleitet. Eine davon war Bertil Hampel-Kochs Frau.«
Ihr Gesprächspartner kniff die Augen zusammen, kommentierte ihre Aussage aber nicht. Stattdessen sagte er: »Es gibt in diesem Fall natürlich keine außenpolitischen Aspekte. Nicht einmal annähernd und wenn, dann ganz sicher nicht auf Bertil Hampel-Kochs Niveau.«
»Sollte ich recht haben, eröffnet das ein Füllhorn neuer, interessanter Fragen.«
»Tja, vielleicht. Eine davon lautet aber auch, was Sie sich davon versprechen, in dieser Richtung zu ermitteln. Mit dem Mordfall scheint das doch nichts zu tun zu haben. Haben Sie Ihre Vermutung mit Konrad besprochen?«
Es überraschte sie, dass er ihren Chef beim Vornamen nannte: »Kennen Sie Konrad persönlich? Das wusste ich nicht.«
»Ja, ein bisschen, aber Sie haben mir nicht geantwortet.«
»Ich habe Konrad nichts gesagt, und ich würde das am liebsten auch erst dann tun, wenn ich mir sicher bin, dass Bertil Hampel-Koch der unbekannte Steen Hansen ist.«
»An dieser Stelle hakt Ihre Theorie aber ein wenig. Wenn ich mich richtig erinnere, war Bertil Anfang der achtziger Jahre im Verteidigungsministerium. Das würde so weit gut zu einer Fahrt nach Thule passen. Aber er würde niemals eine falsche Identität benutzen. Das tut man in der Zentralverwaltung einfach nicht, weder vor fünfundzwanzig Jahren noch heute. Auch wenn …«
Er zögerte etwas, und obgleich das sicher nicht nötig gewesen wäre, fragte die Comtesse nach, um den Druck etwas zu erhöhen: »Auch wenn?«
»Auch
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