Das weiße Grab
wenn Bertil damals schon ein ziemlicher Fatzke war, ja manchmal ein richtiger Schafskopf, wenn auch ein verdammt begabter Schafskopf. Seither hat man ihn zurechtgestutzt, so dass er heute nur noch verdammt begabt ist. Vielleicht ist das damals seine Idee gewesen, aber eben mit Gewichtung auf
vielleicht.
Aber diesen Teil der Sache werden Sie wohl selbst herausfinden, was mich wieder zu der Frage zurückbringt, was Sie damit erreichen wollen und wie ich Ihnen helfen kann?«
Die Comtesse fühlte sich durchschaut, versuchte aber nicht, in Deckung zu gehen.
»Es gefällt mir nicht, wenn Machtmenschen wie Bertil Hampel-Koch und Helmer Hammer hinter meinem Rücken ein doppeltes Spiel treiben und niemand sonst weiß, was wirklich vor sich geht. Außerdem befürchte ich, dass das Morddezernat zwischen die Fronten eines politischen Spiels geraten könnte, das es nicht beeinflussen kann.«
»Sie meinen, dass Konrad in Schwierigkeiten gerät?«
»Ja.«
»Ich glaube, das Risiko ist viel größer, wenn Sie tatsächlich beginnen, im Trüben zu fischen und dabei womöglich Dinge zutage fördern, die Sie nichts angehen. Ich kann Ihnen wirklich nur raten, das auf sich beruhen zu lassen und zu vergessen.«
»Ich bin gerne bereit zu tun, was Sie sagen, aber ich bin nicht die Einzige, die sich dafür interessiert, ob Bertil Hampel-Koch 1983 in Grönland war. Als ich mich um ein Gespräch im Knud-Rasmussen-Haus bemüht habe, um die dort archivierten Grönlandbilder einzusehen, zeigte es sich, dass diesen Wunsch auch schon zwei Journalisten geäußert hatten.«
Die Augen des Orakels blitzten auf, und seine Stimme wurde plötzlich scharf.
»Von welchen Zeitungen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich hoffe, Sie erfinden diese beiden Reporter jetzt nicht, nur um die Gunst der Stunde zu nutzen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht sollten Sie ein bisschen mehr über das Staatsministerium wissen«, sagte er zögernd.
»Sehr gerne.«
»Das Staatsministerium sollte eigentlich Ministerium für Drecksarbeit heißen. An diesem Ort landen nämlich all die Projekte, die anderenorts Schiffbruch erlitten haben oder aus den unterschiedlichsten Gründen ins Stocken geraten sind. Das ist die letzte Instanz, hier landet der ganze Müll, da ein Weiterdelegieren nicht mehr möglich ist.
The buck stops here
stand auf einem Schild, das der amerikanische Präsident Truman auf seinem Schreibtisch stehen hatte. Dieses Schild könnte ohne weiteres auch über der Tür des Staatsministeriums hängen. Das Ministerium selbst ist ziemlich klein, es hat kaum hundert Angestellte, die meisten davon sind aber handverlesen und stammen aus den übrigen Ministerien. Niemand sagt nein, wenn ihm eine solche Stelle angetragen wird. Es ist so etwas wie ein bürgerliches Amt, andererseits aber auch ein sehr großes Privileg, das nur wenigen vergönnt ist. Es gibt vier Abteilungen, nämlich auswärtige Angelegenheiten, Verwaltung, Wirtschaft und Umwelt. Helmer Hammer ist Chef der Verwaltung. Er wurde vor drei Monaten ernannt, nachdem er sich lange um diese Stellung bemüht hatte. Was ihn im Übrigen zu einem Staatsrat macht und nicht zu einem Abteilungsleiter, wie Sie eben gesagt haben. Er verhandelt in der gesamten staatlichen Verwaltung auf höchstem Niveau. Für alle vier Staatsräte gilt, dass sie ihre Aufträge entweder direkt vom Ministerpräsidenten haben oder aber sicher wissen, dass er ein Problem vom Tisch haben will,
ohne
darin involviert zu werden oder gar davon zu erfahren. Außerdem müssen Sie wissen, dass Helmer Hammers tägliche Arbeitszeit unglaublich lang ist und er am Wochenende höchst selten freihat. Er hat mit anderen Worten extrem viel zu tun.«
Die Comtesse versuchte sich an einer Schlussfolgerung: »Der neu ernannte Staatsrat taucht also nicht im Präsidium auf, weil er es nett findet, Konrad zu treffen, oder ein Abteilungsleiter aus dem Außenministerium irgendwo in seiner Vergangenheit einen dunklen Fleck hat. Wenn meine Vermutung korrekt ist.«
Er antwortete nicht direkt, sondern sagte: »Aus zwei Gründen wird in der Bürokratie reiner Tisch gemacht. Einerseits aus sicherheitspolitischen Überlegungen, andererseits, wenn möglicherweise das Prestige des Ministerpräsidentenamtes gefährdet ist. Und mit dem Amt meine ich nicht bloß den amtierenden Ministerpräsidenten, sondern auch all seine Vorgänger, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit.«
»So etwas würde Helmer Hammer aufschrecken?«
»Da können Sie sicher sein.«
»Und
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