Das weiße Grab
er das tat, bis ihm plötzlich bewusst wurde, dass er nach seinem Zug vergessen hatte, die Schachuhr zu betätigen. Ärgerlich stoppte er seine eigene Bedenkzeit und startete damit die seines Gegners, der unmittelbar zog und seine Uhr nicht vergaß. Nach einer weiteren, quälend langsamen Viertelstunde war das Spiel endlich vorüber. Arne Pedersen gab auf. Konrad Simonsen streckte sich und sagte: »Sollen wir die Partie noch einmal durchspielen?«
»Wozu soll das gut sein? Deshalb gewinne ich trotzdem nicht.«
Konrad Simonsen zuckte mit den Schultern, es leuchtete ihm ein, dass Schachkultur für seinen neuen Partner noch ein Fremdwort war. Dabei hatte Arne Pedersen gut gespielt. Ja, berücksichtigte man die Tatsache, dass er nie in einem Schachclub gewesen war oder sich mit Theorie beschäftigt hatte, war sein Spiel geradezu erschreckend gut gewesen. Zum Glück waren ihm zwischendurch aber immer wieder Anfängerfehler unterlaufen, die die Partie entschieden hatten. Er sagte: »Nein, das tust du natürlich nicht.«
»Findest du, dass ich schlecht gespielt habe?«
»Ja, das hast du.«
»Dann hast du keine Lust mehr, mit mir noch mal eine Partie zu spielen?«
»Doch, hin und wieder können wir das gerne tun.«
Sie machten es sich in den gegenüberliegenden Ecken des Sofas gemütlich. Arne Pedersen öffnete zwei Flaschen Mineralwasser, die eine mit der jeweils anderen, ohne einen Tropfen zu verschütten. Konrad Simonsen sah ihm interessiert zu. Er hatte das früher schon einmal gesehen, war aber jedes Mal aufs Neue beeindruckt.
Beide waren müde, wobei Arne Pedersen fast noch erschöpfter aussah als sein Chef. Am liebsten wäre er gleich nach der Partie aufgebrochen, hatte aber das Gefühl, dass das unhöflich gewesen wäre. Sie redeten unengagiert über dies und das, bis die Comtesse kurz darauf nach Hause kam.
Sie grüßte die beiden freundlich und setzte sich auf Konrads Seite auf die Armlehne. Dann zeigte sie auf die zwei Flaschen. »Haben die beiden Herren jemals etwas von Untersetzern gehört?«
Beide schüttelten nur den Kopf und gaben vor, dieses Wort noch nie in ihrem Leben gehört zu haben. Sie ließ das Thema fallen, der Schaden war ja ohnehin bereits entstanden. Konrad Simonsen sagte: »Wie ist es gelaufen?«
»Schrecklich, die reinste Zeitverschwendung. Sie ist wirklich ein machtgeiles Weibsstück, ganz schön blöd, dass ich mich morgen Abend noch einmal mit ihr auseinandersetzen muss.«
Arne Pedersen kam nicht mit und fragte:
»Wer? Und was hast du gemacht?«
»Darauf gewartet, dass eine egomanische Sozial- und Kulturdirektorin sich dazu herablässt, mit mir zu reden. Ich brauche Zugang zu den Archiven eines Museums, damit ich eine Nebenspur von Maryann Nygaards Grönlandaufenthalt verfolgen kann. Die ist nicht mal sonderlich interessant, aber jetzt will ich dranbleiben. Auch wenn sich mittlerweile herausgestellt hat, dass eine Erlaubnis ungemein schwer zu bekommen ist, von etwas Hilfe ganz zu schweigen.«
»Und warum ist das so schwer?«
»Nach der Gemeindezusammenlegung gab es einige Schwierigkeiten mit der alten Museumsleitung, so dass meine simple Anfrage jetzt beim Direktorium gelandet ist und nicht bei irgendeinem Abteilungsleiter. Helle Oldermand Hagensen, sie und nur sie vergibt die Zugangsberechtigungen für den nichtöffentlichen Teil der Museumssammlung. Letzteres ist leider ein Zitat. Ich habe drei geschlagene Stunden darauf gewartet, dass sie mit irgendeiner blöden Bürgerstunde fertig war, um dann zu erfahren, dass sie unser erstes Treffen absagen muss.«
»Kann man so etwas nicht am Telefon regeln?«
»Oh nein, leider nicht, die Direktorin wünscht mit eigenen Augen zu sehen, mit wem sie es zu tun hat.«
»Hast du ihr gesagt, dass es um ein Kapitalverbrechen geht?«
»Ja, natürlich. Aber das war ihr ziemlich egal. Zu guter Letzt habe ich morgen Abend eine Audienz erhalten …«
Die Comtesse streckte die Nase hochmütig in die Luft und sagte mit übertriebener Betonung: »Die Sache muss aber in einer Stunde abgehandelt sein, Kommissarin Rose, mehr Zeit kann ich nicht aufbringen, das müssen Sie verstehen.«
Arne Pedersen betrachtete sie neugierig und sagte: »Du hast aber einen hässlichen Ausdruck in den Augen, ein wirklich seltener Anblick.«
Die Comtesse lachte kurz und freudlos auf.
»Hässlichen Ausdruck, tja, vielleicht sollte ich mich an der guten alten Hexenkunst versuchen. Abrakadabra – seid verflucht, Frau Hagensen, auf dass aus Ihrer Milch niemals Käse
Weitere Kostenlose Bücher