Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
Vom Netzwerk:
nach dem Missglücken des ersten Versuchs derart hartnäckig war, dann aber schlagartig aufgegeben hat, nachdem sie sich die Haare abschneiden ließ. Der Tod eines Menschen mit kurzen Haaren scheint ihm definitiv keine Befriedigung zu verschaffen. Von einem so exklusiven Hedonisten habe ich noch nie gehört, auch nicht von jemandem, der sein Opfer, nachdem er sich für jemanden entschieden hat, so unermüdlich verfolgt hat.«
    »Aber ausschließen möchten Sie es trotzdem nicht? Ich meine, dass das Motiv die reine Lust am Morden ist?«, fragte Poul Troulsen.
    Der Psychologe dachte nach und sagte schließlich: »Hm, ich arbeite ja nicht in einer exakten Wissenschaft, aber … Nein, ich glaube einfach nicht, dass das stimmt …«
    Er sah zu Konrad Simonsen, der fragte: »Und was stimmt dann?«
    »Sagen Sie, wie sehr haben Sie sich für seine Kindheit interessiert? Über diese Periode konnte ich beinahe nichts finden.«
    »Das mag wohl daran liegen, dass wir nichts haben. Ist das ein Fehler?«, antwortete Pauline Berg.
    »Ja, das ist ein Fehler. Fast alle Serienmörder hatten eine dysfunktionale Kindheit, häufig verbunden mit sexuellen Übergriffen, drogen- oder alkoholabhängigen Eltern, kombiniert mit übertrieben harten Strafen für unbedeutende Vergehen. Ein klassisches Reaktionsmuster solcher Kinder ist es, sich in Tagträume zu fliehen, die sich später im Leben zu einem richtiggehenden Fantasieuniversum ausweiten können, in das diese Personen problemlos eintauchen können, ohne ihr gewöhnliches Leben abzubrechen und auch ohne dass ihre Umgebung das bemerkt.«
    Poul Troulsen hatte Einwände: »Wir haben aber keinen Anhaltspunkt, dass seine Kindheit nicht normal war.«
    »Dann graben Sie tiefer, sein Elternhaus kann nicht normal gewesen sein. Irgendetwas in seiner Kindheit oder frühen Jugend hat ihn derart geprägt und belastet, dass er deshalb diese beiden Frauen umgebracht hat. Oder drei, wenn Sie wollen. Vielleicht ist es ein einziges, sehr dominantes Erlebnis, nach dem Sie suchen müssen, vielleicht eines, das mit einem Todesfall zu tun hat. Oder es handelt sich ganz generell um fehlende Fürsorge, kombiniert mit einem abnormen Verhalten seiner Eltern. Oder beides zusammen.«
    »Ist das auch der Punkt, an dem diese Maske ins Spiel kommt?«, fragte Konrad Simonsen.
    »Ja, das heißt aber nicht, dass Sie nach einer Episode in seiner Kindheit suchen müssen, die notwendigerweise ganz konkret eine Maske beinhaltet. Ich könnte wetten, dass der rote Lippenstift und die langen Nägel einen reellen Hintergrund haben. Seine Maske trägt er vermutlich eher, um sich vor der reellen Welt zu verstecken, wenn er seine Fantasien auslebt. Das verdeckte Gesicht ist sein Schutz, gleichzeitig aber auch eine Art Vehikel, um seine Fantasien zu transportieren. Er tut das nicht, um Dominanz auszuüben, sondern eher, um ernst genommen zu werden, und vielleicht auch, um – in seinem Selbstverständnis – irgendeine Ungerechtigkeit in seiner Kindheit zu rächen.«
    »Wie ist das mit dem Frauentyp. Hat der auch etwas mit seiner Kindheit zu tun?«
    »Davon würde ich ausgehen, ich denke, dass er vor dieser Art Frau Angst hat. Deshalb sucht er sie nicht selbst auf, aber drängen sie sich ihm erst auf, ist er gezwungen zu reagieren. Für ihn stellen diese Frauen eine Gefahr dar, sie bedrohen sein Leben, deshalb muss er sie besiegen und ultimativ ausrotten, koste es, was es wolle. Vielleicht beinhaltet der eigentliche Mord eine Form von Regression, also ein Zurückfallen in die Welt seiner Kindheit, andererseits ist er sich aber darüber bewusst, dass er etwas Falsches tut, und das sowohl vor als auch während und nach seinen Morden.«
    »Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er gesteht, wenn wir ihn mit den Beweisen konfrontieren, die wir haben – so wenig das im Augenblick auch ist.«
    »Das weiß ich nicht. Er ist begabt und kann vermutlich gut einschätzen, was juristisch wirklich gegen ihn spricht und was bloße Spekulationen sind. Andererseits wird es ihn sicher quälen, zu sehen, dass andere Menschen seine innersten Geheimnisse durchschaut haben. Außerdem ist er ziemlich naiv, und es kann wirklich sein, dass gerade dieser Charakterzug den Ausschlag gibt.«
    Konrad Simonsen versuchte sich an einer Zusammenfassung: »Aber es wäre umso schmerzhafter für ihn, wenn wir die Beweggründe in seiner Kindheit direkt ansprechen könnten?«
    »Zehnmal so schlimm. Ich glaube wirklich nicht, dass er das verkraften würde. Aber sicher

Weitere Kostenlose Bücher