Das weiße Grab
bin ich mir natürlich nicht. Denken Sie daran, dass er schon seit Jahren ein Doppelleben führt.«
»Sammelt er Trophäen? Vielleicht etwas, das er zu Hause bei sich aufbewahrt?«, wollte Poul Troulsen wissen.
»Kaum. Er hat bestimmt keine Lust, an die Frauen erinnert zu werden. Ich würde eher das Gegenteil vermuten.«
»Was ist mit seinem Beruf als professioneller Schnüffler, wenn Sie verstehen, was ich meine? Oder seinem Handel mit Hightech-Mikrophonen, Spionagekameras und all diesem IT -Kram?«
»Das kann auch mit seiner Jugend zu tun haben. Das haben Berufe ja oft, aber ich möchte mich nicht auf weitere Spekulationen einlassen.«
Poul Troulsen warf einen Blick auf den Block, der vor ihm lag, und sagte: »Ich würde gerne noch etwas über seine Kindlichkeit hören. Dieses infantile Verhalten taucht ja immer wieder auf. Ist da mental etwas aus dem Gleis geraten? Ich meine, hat er sich seltsam entwickelt?«
»Wenn Sie an eine Persönlichkeitsstörung à la Asperger, Tourette, Autismus … ADHS denken oder wie all diese Diagnosen auch heißen, so lautet die Antwort nein. Diese Leiden belasten die Betroffenen und ihre Umgebung, aber sie machen niemanden zu einem Serienmörder, auch wenn ich gerne einräume, dass sie häufig ein gewisses infantiles Verhalten bewirken. Vielleicht wäre es besser, ihn als eine Person zu sehen, die sich leicht dominieren lässt, wenn man autoritär und … ja erwachsen auftritt. Außergewöhnlich leicht, würde ich sogar sagen, nach allem, was ich bis jetzt über ihn gelesen habe.«
Konrad Simonsen sah sich um, doch es gab keine weiteren Fragen. Er sammelte seine Papiere zusammen und beendete die Besprechung, indem er den Blick über seine verbliebenen Mitarbeiter schweifen ließ, und sagte: »Andreas Falkenborgs Kindheit. Gebt das weiter und stellt eine Liste zusammen. Spielkameraden, Hobbys, Zeugnisse, Lehrer und vor allem seine Eltern, der ganze Krempel, alles, was ihr finden könnt. Wenn er sich bei einem Abschlussball das Knie aufgeschlagen hat oder über seinen ersten Psalm gestolpert ist, will ich das wissen. Und zwar so schnell wie möglich.«
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24
N ach der Besprechung lief Pauline Berg dem Psychologen auf dem Flur nach und schenkte ihm ihr bezauberndstes Lächeln.
»Sie müssen entschuldigen, aber ich habe noch eine letzte Frage, wenn Sie noch eine Sekunde Zeit haben.«
»Schießen Sie los!«
Sie warf einen Blick über die Schulter zur Tür des Besprechungszimmers.
»Vielleicht kann ich Sie nach draußen begleiten?«
»Natürlich. Geht es um etwas, das die anderen nicht hören sollen?«
Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Oberarm und führte ihn weiter.
»Sie können Situationen wirklich gut durchschauen.«
»Danke, handelt es sich um etwas, das die anderen nicht hören sollen?«
Das Lob war an ihm abgeprallt, und statt geschmeichelt zu sein, wiederholte er seine Frage mit exakt der gleichen Betonung. Dumm war er nicht. Sie fuhr das ganz große Geschütz auf, das Gespräch war wichtig für sie.
»Sind Sie verheiratet oder haben Sie eine Lebensgefährtin?«
Sollte ihn diese Frage überrascht haben, zeigte er es nicht.
»Warum fragen Sie das?«
»Ich dachte, ob wir vielleicht irgendwann einmal eine Tasse Kaffee zusammen trinken könnten?«
Sie gingen über den Flur, und als sie vom Besprechungszimmer aus nicht mehr gesehen werden konnten, entspannte sie sich und fügte hinzu: »Wenn Sie denn Lust haben, mit mir auszugehen?«
»Sind Sie immer so direkt?«
»Nein, eigentlich nicht, aber wer weiß, wann und wo ich Sie sonst wiedersehen würde?«
»Das tun Sie bestimmt schon in ein paar Tagen, wenn Andreas Falkenborg verhört wird.«
Pauline Berg dachte, dass das Gespräch in die falsche Richtung lief, noch bevor es richtig begonnen hatte. Er war kein Mann, den man problemlos hin- und herschieben konnte.
»Okay, was ich Sie fragen will, sollte am besten unter uns bleiben, weil die anderen sicher dagegen wären; sie würden schon bei der bloßen Frage die Augen verdrehen. Deshalb bin ich Ihnen gefolgt, um es mit Ihnen unter vier Augen zu besprechen. Und was unseren Kaffee angeht, so kam mir dieser Gedanke schon, als Sie uns das alles vorgetragen haben. Zugegebenermaßen war ich da eben etwas voreilig, aber was ich wissen will, ist wirklich wichtig für mich.«
»Schon in Ordnung. Sagen Sie mal, wissen Sie überhaupt, wohin wir gehen?«
»Ja, das weiß ich, Sie sind mir aber noch eine Antwort schuldig.«
»Nun, dann muss ich sagen, dass
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