Das weiße Grab
Zimmer neben dem Besprechungsraum diente eigentlich nur als Abstellraum für diverse Reinigungsmittel. Die Hand auf seine Schulter legend, schob Konrad Simonsen Arne Pedersen vor sich her in die Kammer, schaltete das Licht ein und schloss die Tür hinter sich. Ganz hinten im Raum stand ein Stuhl.
Konrad Simonsen zeigte darauf, und Arne Pedersen setzte sich.
»Und jetzt sagst du mir, was los ist, Arne.«
Arne Pedersen wich seinem Blick aus.
»Nichts von Bedeutung. Mir fehlt nur ein bisschen Schlaf. Sag mal, dieser Andreas Falkenborg, willst du den nicht bald mal festnehmen lassen?«
Konrad Simonsen antwortete nicht sofort. Aus diesem Grund hatte er seinen Mitarbeiter nicht ins Nebenzimmer bugsiert. Dann entschied er sich aber doch anders.
»Schon, aber vorher würde ich dem Psychologen gerne noch bis zum Ende zuhören. Ich habe heute auch noch einen Termin mit der Staatsanwältin, dabei weiß ich genau, was sie sagen wird. Im Augenblick müssen wir einfach damit rechnen, dass er ziemlich schnell wieder draußen ist. Würdest du mich bitte ansehen, wenn ich mit dir spreche!«
»Aber einen Durchsuchungsbefehl kriegen wir doch wohl?«
»Daran zweifle ich nicht.«
»Dann hoffen wir mal, dass wir etwas Brauchbares finden.«
Arne Pedersens Blick flackerte ziellos durch den Raum. Auch seine Hände zitterten.
»Ja, hoffentlich. Sag mal, bist du so fertig, wie du aussiehst?«, fragte Konrad Simonsen und hörte Arne Pedersen geduldig und ohne ihn zu unterbrechen zu, als dieser schließlich detailliert von seinem Alptraum und der anschließenden Schlaflosigkeit zu erzählen begann. Er schloss ziemlich resigniert: »Zwei Tage sind okay. Ich glaube sogar, dass es mir gutgetan hat, dass wir gestern Schach gespielt haben. Eigentlich merkwürdig, aber drei Nächte …«
Er zuckte mit den Schultern.
»Jetzt klingst du ganz normal. Was sagt Berit?«
»Dass ich zum Arzt gehen muss, wenn das so weitergeht. Ja, und dass es so nicht weitergehen kann.«
Konrad Simonsen verkniff es sich, ihm den gleichen Rat zu geben, wie vernünftig dieser auch sein mochte. Er wusste, dass Arne Pedersens Ehe nicht immer nur harmonisch war. Außerdem mochte er Pedersens Frau nicht sonderlich, was er lieber für sich behielt. Stattdessen nahm er ein Geschirrtuch vom Regal neben sich, ließ kaltes Wasser darüber laufen, wrang es aus und reichte es ihm. Pedersen nahm es entgegen und drückte es sich gegen die Schläfen.
»Ich werde jemanden bitten, dich nach Hause zu fahren, Arne. Und ich will dich erst wieder hier sehen, wenn du dich richtig ausgeschlafen hast. Verstanden?«
»Ja, verstanden, eine Sache ist da aber noch. Also, ich weiß ja, dass du zurück in diese Besprechung musst …«
»Jetzt mach schon den Mund auf. Die werden schon nicht ohne mich anfangen.«
»Es geht um Pauline. Du weißt doch, wie ähnlich sie den anderen sieht … Sie darf diesem Kerl nie begegnen.«
Konrad Simonsen hatte die Ähnlichkeit bemerkt und wusste auch, dass in der Mordkommission viel darüber geredet wurde, wobei sich niemand daran zu stören schien, dass Pauline Berg blond und blauäugig war – ein deutlich abweichendes und nicht unwesentliches Detail, wie er fand.
Das Gerede irritierte ihn deshalb. Er dachte nicht im Traum daran, die Sicherheit einer seiner Mitarbeiterinnen aufs Spiel zu setzen, aber wäre Andreas Falkenborg nicht sein ganzes Leben hindurch überaus anspruchsvoll bei der Auswahl seiner Opfer gewesen, hätten sie zwanzig und nicht zwei tote Frauen in seinem Kielwasser finden müssen. Oder drei, wenn er Annie Lindberg Hansson mitzählte, was er wohl tun sollte. Jeanette, Rikke Barbara Hvidts Enkelin, sollte mindestens zehn Kilometer Abstand zu Andreas Falkenborg halten, aber Pauline Berg …, das Ganze erschien ihm doch etwas übertrieben zu sein.
Dazu kam noch, dass er keine Details über Arne Pedersens und Pauline Bergs Verhältnis wissen wollte, falls die Beziehung im Moment nicht ohnehin auf Eis gelegt war. Er hatte ja auch nicht vor, Pauline Berg Falkenborg verhören zu lassen, dafür reichte ihre Erfahrung noch nicht aus.
»Du möchtest, dass sie keinen Kontakt miteinander bekommen, wenn wir ihn zur Rede stellen? Ist es das?«
»Ich mache mir ständig Gedanken darüber, auch tagsüber, außerdem wohnt sie verdammt einsam, finde ich. Ihr Haus liegt direkt am Waldrand, also wenn wir nicht zehn Mann abstellen können …«
Konrad Simonsen unterbrach ihn: »Jetzt hör aber auf, Arne. Wenn ich dir damit eine Freude machen kann,
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