Das weiße Grab
diskutieren.«
»Wie demokratisch.«
»Verschwinde und mach deine Arbeit.«
»Okay, Boss, ich bin sozusagen schon weg.«
Fräulein Agnete Bahn überraschte Konrad Simonsen vollkommen. Er hatte eine alte Hexe erwartet, eine billige Aufschneiderin mit einer eisigen Bordell-Fassade, wurde aber stattdessen von einer präsentablen älteren Dame empfangen. Sie trug ein adrettes Kostüm und hatte ein hübsches gealtertes Gesicht ohne zu viel Make-up. Ihr Auftreten war distanziert, aber geschäftsmäßig. Er hatte Mühe, in ihr den Drachen zu erkennen, der ihm vor weniger als einer Stunde eine wahre Wundertüte der vielfältigsten Schimpfworte an den Kopf geworfen hatte. Nur ganz selten, wenn ihre kalten braunen Augen ihn fixierten, schienen diese beiden so unterschiedlichen Aspekte der Person zusammenzupassen. Sie führte ihn zu einem Sofa, holte eine Karaffe kalten Saft und stellte diese zusammen mit einem Glas vor ihn auf den Tisch. Dann kam sie gleich zur Sache: »Haben wir eine Abmachung? Sie entfernen die drei Autos, die vor meinem Haus parken, wenn ich Ihnen von meiner Zeit bei den Falkenborgs erzähle?«
»Ja.«
»Dann lassen Sie uns loslegen, wir sind beide daran interessiert, dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter uns zu bringen.«
Konrad Simonsen schaltete sein Diktiergerät an und stellte es zwischen sie.
Agnete Bahn sah misstrauisch auf die Maschine: »Und wir reden nur über damals?«, fragte sie.
»Einzig und allein über diese Zeit, ja. Was Sie sonst so gemacht haben, ist mir vollkommen egal.«
»Gut, Sie können übrigens Agnete sagen, das macht die Sache irgendwie weniger steif. Was wollen Sie wissen?«
Konrad Simonsen erzählte ihr von den Morden und seinem Verdacht gegen Andreas Falkenborg, ohne weiter darauf einzugehen, welche konkreten Beweise er hatte. Die Vorwürfe gegen den Menschen, den sie als Kind betreut hatte, schienen ihr nicht gerade nahezugehen. Abgesehen von einem bestätigenden Nicken, dass sie ihn verstanden hatte, zeigte sie kein Interesse. Konrad Simonsen fuhr fort: »Haben Sie ein Bild von sich aus dieser Zeit, das ich mir ausleihen dürfte?«
Die Überraschung der Frau war echt, und sie rutschte sprachlich kurz ab, bevor sie wieder ihr mondänes Gesicht aufsetzte: »Was zum Henker wollen Sie denn damit?«
Er war im Vorfeld zu dem Schluss gekommen, dass sie sich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht an die Presse wenden würde, weshalb er ihr eine ehrliche Antwort gab: »Ich glaube, Ihr Aussehen als junge Frau hat sich in Andreas Falkenborgs Kopf eingebrannt, ja, und dass er sich seine Opfer danach aussucht, wie er Sie in Erinnerung hat.«
Konrad Simonsen dachte, dass seine Vermutung sie verstimmen könnte, so dass er ruhig und fast eindringlich gesprochen hatte.
Agnete Bahn aber blieb vollkommen ruhig.
»Mein Look dient als Rollenmodell für die Mädchen, die er abschlachtet. Ist es das, was Sie mir sagen wollen?«
»Ja, genau, abgesehen davon, dass er niemanden abgeschlachtet hat.«
Sie dachte kurz nach und sagte dann: »Das mit dem Bild wird eine Weile dauern, dafür muss ich auf den Dachboden. Außerdem muss mir eine meiner Angestellten helfen, ich bin ja nicht mehr die Jüngste. Aber wenn es notwendig ist …«
»Es ist notwendig.«
»Gut, dann machen wir das. Ich rufe jemanden hoch, und Sie warten hier so lange. Sie können sich die Zeit natürlich auch vertreiben, indem Sie nach unten gehen und …«
Konrad Simonsen schnitt ihr das Wort ab.
»Nein, danke.«
Ihr Lachen war trocken und freudlos, fast höhnisch.
»Das wollte ich Ihnen gar nicht vorschlagen, wobei Sie überrascht wären, wie viele Männer weit über Ihrer Stellung nichts dagegen haben, mal …«
Sie warf einen Blick auf das Diktiergerät.
»… auf der Liege Platz zu nehmen, solange sie hinterher nicht dafür zahlen müssen.«
»Das glaube ich gerne.«
»Das dürfen Sie ruhig, also ich meinte eigentlich, dass Sie gerne nach unten gehen und sich an der Rezeption ein oder zwei Zeitungen holen können, damit Sie etwas zu lesen haben, solange ich oben auf dem Dachboden bin. Ich verbiete Ihnen aber, hier in meinem Haus herumzustöbern.«
»Danke, aber das ist nicht nötig, ich habe ein paar Unterlagen dabei, die ich mir in der Zwischenzeit anschauen kann.«
Sie zuckte mit den Schultern und ging.
Die Fotografie, die sie gut eine halbe Stunde später vor ihn hinlegte, ließ keinen Zweifel daran, woher Andreas Falkenborgs Vorliebe für bestimmte Frauen stammte. Rikke Barbara Hvidt,
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