Das weiße Grab
seinen beiden Mitarbeitern auf wenig Gegenliebe stieß, als sie nach einer viel zu kurzen Nacht ihren Wagen vor Andreas Falkenborgs Haus in Frederiksberg parkten.
Arne Pedersen gähnte herzhaft, als er aus dem Auto stieg. Der Wind vertrieb jedoch die Müdigkeit aus seinem Gesicht. Dann bemerkte er schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite eines der beiden Observierungsfahrzeuge. Arne Pedersen legte als Gruß zwei Finger an die Schläfe, ohne zu wissen, ob er einen der Kollegen persönlich kannte. Sein Gruß wurde mit einem kurzen Hupen erwidert.
Das Geräusch weckte Poul Troulsens Aufmerksamkeit, der schließlich auch noch grüßte, ohne dass jedoch jemand auf ihn reagierte.
Als sie die Treppe hinaufgingen, sagte Arne Pedersen: »Ich hoffe wirklich, dass wir etwas Belastendes finden oder dass es Konrad und dir gelingt, ihm tatsächlich ein Geständnis abzuringen, denn rein juristisch haben wir meiner Meinung nach kaum etwas gegen ihn in der Hand.«
»Die Staatsanwältin sieht das genauso, sie rechnet damit, dass wir ihn nach der Haftprüfung maximal drei Wochen lang festhalten können. Vermutlich haben wir den Durchsuchungsbeschluss überhaupt nur erhalten, weil es so ein schwerwiegender Mordfall ist.«
»Dann hoffe ich nur, dass ihr ihn richtig weichkochen könnt. Damit er ein für alle Mal hinter Gitter kommt.«
Poul Troulsen war dafür bekannt, hin und wieder über die Stränge zu schlagen, was seine Machtbefugnis anging. Arne Pedersen mochte das eigentlich nicht, doch heute schien ein Ausnahmetag zu sein. Das war auch der Grund dafür, weshalb Konrad Simonsen gerade ihn mit der Aufgabe betraut hatte. Er wollte Falkenborgs notorische Kindlichkeit ausnutzen und der Polizei einen psychologischen Vorsprung verschaffen, bevor der Verdächtige zum Verhör ins Präsidium gebracht wurde. Arne Pedersen sollte sich in der Zwischenzeit einen Überblick über den Umfang der Durchsuchung machen und Verstärkung anfordern, sobald Andreas Falkenborg abtransportiert worden war. Die Arbeitsteilung zwischen den beiden Kollegen war also klar.
Das Messing-Türschild mit Andreas Falkenborgs Namen sah frisch geputzt aus. Arne Pedersen strich mit der Fingerkuppe darüber, als wollte er auf diese Weise den Mann anpeilen, der hinter dieser Tür wohnte. Dann drückte er zweimal kurz hintereinander auf die Klingel, klopfte fest gegen die Tür und klingelte noch ein drittes Mal.
Es verging eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde.
Andreas Falkenborg stand barfuß und in einen Bademantel gehüllt vor ihnen. Es gab keinen Zweifel, dass sie ihn geweckt hatten. Sein desorientierter Gesichtsausdruck und seine ungekämmten Haare sprachen eine deutliche Sprache.
Arne Pedersen streckte dem verschlafenen Mann ein Papier hin und schob sich an ihm vorbei in die Wohnung. Andreas Falkenborg trat zur Seite, wandte sich dann aber laut und mit betont autoritärer Stimme an Poul Troulsen: »Ich fordere Sie auf, sich als Polizisten zu legitimieren.«
Obwohl er diese Bitte lauter als notwendig vorbrachte, schwang in seiner Stimme weder Panik noch Aggressivität mit. Er klang eher kindlich, als wäre das Ganze eine Schulaufführung. Poul Troulsen erkannte gleich, dass es nur eine vernünftige Erklärung für das Verhalten des Mannes gab. Falkenborg war mit Abhöraktionen vertraut, und auch die etwas hölzerne Ausdrucksweise, die fast aus dem Munde des Polizeichefs hätte kommen können, sprach dafür, dass ihr Gespräch aufgenommen wurde. Er zog den Mann wortlos vor die Wohnungstür und drückte ihn gegen die Wand. Dann befahl er gebieterisch: »Bleiben Sie hier stehen.«
Andreas Falkenborg gehorchte, rief aber gleichzeitig in Richtung der offenen Tür: »Aua, aua, das tut weh; oh nein, warum tun Sie das, aua, aua.«
Er war ein elender Schauspieler, und Poul Troulsen antwortete ruhig: »Halten Sie Ihren Mund. Hier tut überhaupt nichts weh, aber wenn Sie das noch einmal versuchen, gibt es einen auf die Mütze. Haben Sie das verstanden?«
»Ja … äh, Entschuldigung.«
»Andreas Falkenborg, es ist 6.08 Uhr, und ich verhafte Sie wegen des Mordes an der Krankenschwester Maryann Nygaard 1983 und der Auszubildenden Catherine Thomsen 1997 .«
Poul Troulsen rief zu Arne Pedersen: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Freund hier irgendwelche Mikrophone in der Wohnung versteckt hat. Du solltest das vielleicht wissen.«
Arne Pedersens Gesicht hellte sich auf.
»Ach nee, wie überaus gerissen. Aber ich denke, wir haben Leute, die diese
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