Das weiße Grab
geschleppt, wo er sie verprügelte, dass es nur so durch die Sommernacht pfiff. In dieser Nacht hat er sogar einen Stock benutzt. Ich habe sie nie vorher solche Schläge einstecken sehen. Er war so wütend und bedachte Andreas mit allen nur erdenklichen Schimpfworten. Spanner, Perverser, Abartiger und so weiter.«
»Und was hat Andreas in dieser Zeit gemacht?«
»Er hing am Fenster, die blöde Maske noch immer vor dem Gesicht.«
»Sie sagten, Sie hätten Alf Falkenborg geritten, könnten Sie das etwas genauer erklären?«
»Sagen Sie mal. Sie hören so etwas wohl gerne?«
»Nein, aber das könnte von Bedeutung sein …«
»Also, ich habe ihn geritten, wie schwer ist das denn zu verstehen? Ich saß auf ihm und pumpte auf und ab, was gibt es dazu noch zu sagen?«
»Können Sie sich daran erinnern, ob Sie Ihr Oberteil noch trugen?«
»Nee, absolut nicht, aber wahrscheinlich nicht. Oder, doch warten Sie … das war ja kurz bevor ich da weg bin, und zu der Zeit war es ihm ziemlich egal, was ich trug, solange er nur seinen Schwanz in mich stecken konnte. Wahrscheinlich hatte ich mein Nachthemd an.«
»Und einen BH ? Können Sie sich daran erinnern?«
»Keinen BH . Er hat einmal einen kaputtgerissen, deshalb hatte ich nie wieder einen an, wenn er kam, die musste ich nämlich selbst bezahlen.«
»Und einen Slip? Hatten Sie einen nackten Unterleib, wenn Sie es getrieben haben?«
»Ja, mein Gott, was glauben Sie denn?«
»Ich glaube nichts, aber ich hätte gern, dass Sie nachdenken, bevor Sie etwas sagen.«
Überraschenderweise tat sie, was er verlangte, und kurz darauf meldeten sich Zweifel.
»Jetzt, da Sie es sagen. Es ist gut möglich, dass ich einen Slip getragen habe. Anfangs hat er mich gerne ausgezogen, aber gegen Ende wollte er einfach nur rein, ohne viel Drumherum. Es kann gut sein, dass er meinen Slip einfach nur beiseitegeschoben hat, genau kann ich mich aber nicht erinnern.«
»Eine Frage noch, als Sie auf ihm saßen, haben Sie das in irgendeiner Weise genossen? Ich frage aus einem ganz bestimmten Grund, ich muss nämlich im Detail wissen, wie Andreas Falkenborg Sie gesehen hat, als er durch das Fenster geschaut hat.«
Sie willigte ein und antwortete ehrlich: »Ich habe jede Minute gehasst, dabei aber so getan, als wäre er ein Geschenk des Himmels, auf die Art und Weise ging es nämlich schneller. Das hatte ich längst kapiert. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, habe ich bestimmt geseufzt und gestöhnt und mich in wilder Ekstase, von der ich nicht die Bohne gespürt habe, hin und her geworfen.«
»Danke, das war genau das, was ich hören wollte. Ach, eine Sache noch. Sie haben gesagt, Make-up sei verboten gewesen. Dann trugen Sie keinen Lippenstift, oder?«
Sie dachte nach. »Ich weiß nicht, ob ich an dem Abend Lippenstift getragen habe, aber das ist durchaus möglich. Der Sonntag war ja mein freier Tag, und da war ich häufig unterwegs. Ja, das kann schon sein.«
»Haben Sie eine bestimmte Farbe bevorzugt?«
»Rot, immer Rot. So rot wie nur möglich, wenn man so etwas sagen kann. Rot steht mir.«
»Wunderbar, ganz wunderbar.«
»Danke, sagen Sie mir, gibt es eine Chance, dass ich für meine Aussage eine Belohnung kriege?«
»Nein. Was haben Sie selbst getan, als es passiert ist?«
»Ja, also, ich bin nicht stolz drauf, aber ich habe sie alle drei so über alle Maßen gehasst, dass ich diesen Moment richtiggehend genossen habe. Ihre Schreie und ihr Flehen, während er auf ihren Rücken einschlug, waren für meine Ohren die reinste Musik. Und Andreas, dieses kleine Arschloch, auch ihm gönnte ich jede Sekunde, die er da wie erstarrt am Fenster klebte, wie im Jenseits gefangen. Ich bin auf der anderen Seite ans Fenster getreten, habe mein Gesicht an die Scheibe gepresst und seine dumme Maske angegrinst.«
»Konnten Sie sehen, wie er reagierte? Ich meine, durch die Maske?«
»Ein bisschen, ja, er hatte ja Löcher für die Augen hineingeschnitten.«
»Wie war seine Reaktion, was hat er gemacht?«
»Er hat geweint.«
[home]
30
Z wölf Tage nachdem der Glaziologe der deutschen Kanzlerin die Leiche von Maryann Nygaard auf dem grönländischen Inlandeis entdeckt hatte, wurde Andreas Falkenborg in Kopenhagen festgenommen.
Der Auftrag ging an die Kommissare Arne Pedersen und Poul Troulsen, und die Festnahme wurde in aller Herrgottsfrühe am Mittwochmorgen durchgeführt. Konrad Simonsen hoffte, um diese Uhrzeit der Aufmerksamkeit der Presse entgehen zu können – ein Argument, das bei
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