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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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versuchte, ihn immer weiter in den juristischen Dschungel der totalen Rechtswegausschöpfung zu verführen. Nein, die acht Monate Freiheitsentzug gingen in Ordnung, das sah der Euro ein. Hauptsache, das Thema war abgehakt und die Schnüffelei in seinem Privatleben hatte endlich ein Ende. Und so waren es allein die Umstände, die Anfang Juli 2001 zu seiner Festnahme führten, die ihm auch Monate nach der Urteilsverkündung noch im Magen lagen wie ein Kilo schimmeliger Schmelzkäse.
    Sie hatten ihn also geschnappt. Ausgerechnet ihn, den Euro, den besten, schnellsten und größten Gauner der ganzen Welt. Welch unglaubliche, aber wahre Schande! Dabei hatte er doch alles richtig gemacht. Er hatte sich perfekt vorbereitet, er hatte sich perfekt getarnt, er war mehr als vorsichtig vorgegangen, und selbstverständlich war er nüchtern geblieben bei der Arbeit. Nicht mal einen winzigen Zug an einem seiner knapp 5000 Joints hatte er sich während seiner Streifzüge durch München gegönnt. Doch am Ende hatte ihm selbst das nicht geholfen. Spätestens als sich der Kabelbinder um seine Handgelenke zog, wurde ihm das bewußt. Und mal ehrlich – wer konnte schon ahnen, daß die bayerische Staatsgewalt neuerdings sogar mit Rastafaris auf Verbrecherjagd ging.
    Der Zugriff erfolgte auf der Werneckwiese im EnglischenGarten an einem stinknormalen Donnerstag gegen 16 Uhr. Der Euro war schon seit den frühen Morgenstunden unterwegs, hatte bis dahin nur knapp ein Dutzend Joints unters Volk gebracht und verstand seit einigen Tagen die Welt nicht mehr. Die Begründung dafür war einfach: er hatte sich verkalkuliert. Mal wieder und diesmal sogar dramatischer als je zuvor. Obwohl er seit Beginn der Woche von morgens bis abends mit den Taschen voller Tütchen und ständig auf der Suche nach seiner Zielgruppe durch die Stadt lief, verkaufte er nicht etwa seine geplanten siebzig bis neunzig Spaßzigaretten am Tag, sondern lächerliche zehn bis zwanzig. Und das war ein Schlag mitten in seine Gaunerfresse, mit dem er nie und nimmer gerechnet hätte.
    Es war zum Kotzen, ein Kropf dazu, ja schlicht eine einzige Katastrophe. Nach nicht mal vier vollen Tagen im Jointgeschäft mußte der Euro einsehen, daß es wohl nichts werden würde, mit seinen erhofften und fest eingeplanten zwanzigtausend Mark Gewinn in spätestens zehn Wochen. Und das bedeutete im nächsten Schritt natürlich auch, daß er sich das Möbelbusiness, in das er mit dem Lastwagen-Schorsch einsteigen wollte, abschminken konnte. Und das ärgerte ihn maßlos. Einerseits, weil es seine Vision von einem baldigen heißen Leben mit Kim im Strandhotel vorerst zerstörte, aber auch, weil dieser Grünschnabel von Billy wohl doch recht behielt mit seiner Einschätzung, daß die Sache garantiert nicht so laufen würde, wie der Euro sich das ausgedacht hatte. Das war das Schlimmste. Das war die eigentliche Niederlage. Das war es, was ihm auf den Magen schlug, an die Nieren ging und vor allem auf den Sack.
    Der Euro war als Paul Breitner unterwegs, an dem Tag, als es passieren sollte. Das war Teil seiner Tarnung. In den acht bis zehn Wochen, in denen er durch München und Umgebung laufen wollte, um seine 5000 Joints loszuschlagen, durfte ihn natürlich keiner erkennen. Sein Konzept sah vor, daßer sich verkleiden mußte. Jede Woche ein neues Kostüm; jede Woche ein anderer Mensch. Und weil immer auch ein bißchen Spaß bei der Arbeit dazugehört, hatte er sich gleich für die erste Woche jemanden als Vorbild ausgesucht, auf den dahingehend Verlaß war: Paul Breitner, der legendäre Treibauf des FC Bayern München, der schon immer sein absoluter Lieblingsspieler gewesen war. Zumindest vom Style her. Zusammen mit Horst Hrubesch.
    Paul Breitner sein ist gar nicht schwer. Man braucht dazu eine dunkelbraune Perücke mit Locken, buschige Kotletten zum Aufkleben, einen Schnauzbart à la Ion Tiriac und einen Trainingsanzug von Adidas, der rot ist und im Schritt schön stramm sitzt. Den Trainingsanzug hatte sich der Euro aus einem Secondhand-Laden besorgt, während den Rest ihm seine geliebte Kim besorgte. Und selbstverständlich war es Kim, die jeden Morgen mit ihrem Schminkkoffer dafür sorgte, daß der Euro tatsächlich wie Paul Breitner aussah und nicht etwa wie ein bulgarischer Wechselstubenbesitzer. Obwohl da im Grunde kaum ein Unterschied bestand.
    Von Montag bis Donnerstag war es immer das gleiche Ritual. Um zehn wurde gemeinsam gefrühstückt, dann wurde eine halbe Stunde lang geschminkt und dann

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