Das weisse Kaenguruh
»Ich mache mir einen Spaß daraus. Das ist der Unterschied.«
Diplomgroßtrödler.
Billy war ordentlich irritiert, als er in den Spiegel sah. Eigentlich kannte er sich ja ganz gut. Aber so?
Klar, sein neuer Anzug paßte wie Arsch auf Eimer. Aber wie die Faust aufs Auge paßte er eben nicht.
Noch nicht! Es dauerte eine Weile, bis er sich an den neuen Look gewöhnt hatte. Jeden Tag im feinsten Zwirn, dazu Hemden mit Manschettenknöpfen, Kniestrümpfe auch im Sommer, die Füße fest in rahmengenähten Schuhen verpackt und am Handgelenk eine entsprechende Uhr, damit er beim Trödeln nicht die Zeit vergaß – so sah sie aus, die offizielle Arbeitskleidung im »Haus der zwei roten Sonnen«. Und darauf war Billy nicht vorbereitet gewesen.
Johann, sein neuer und erster Meister, bestand darauf. Bevor er mit der angekündigten Ausbildung begann, kleidete er seinen Mitarbeiter ein. In London und für eine absurd hohe Summe in Pfund. Billy war es richtig peinlich, so teuer wurde seine neue Garderobe am Ende. Aber Johann zahlte die Rechnung und beruhigte ihn. »Denken Sie nicht darüber nach, was das alles kostet«, sagte er lapidar. »Überlegen Sie sich lieber, was es mich kosten würde, wenn Sie weiter so rumlaufen würden wie ein Dahergelaufener.«
Es wurde ein dichtes Jahr. Johann hatte nicht zu viel versprochen. 365 Tage lang gönnte er Billy keine Pause. Er forderteihn. Jeden Morgen ab 8 Uhr neu und bis zum Feierabend in einer Tour. Trödeln war nicht. »Wer im Leben trödelt«, so hatte er Billy gleich am Anfang der Ausbildung aufgeklärt, »wird nie ein guter Trödler.«
Billy ging das Tempo mit, das Johann ihm vorgab. Von der ersten Sekunde an und bis zum Schluß. Stets ambitioniert und gutgelaunt dabei. Sein neuer Job war faszinierend. Das »Haus der zwei roten Sonnen« war nämlich größer, als es von außen schien. Von wegen kleiner, putziger Trödelladen in der Eifel. Pah! Ein richtiges Imperium war das, was Johann, der Freie Herr von den Maaren, da von Bad Münstereifel aus am Laufen hielt. Und in diesem Imperium war er der Trödel-Imperator.
Der heiligen katholischen Kirche sei Dank! Sie war seine heißeste Bezugsquelle. Schon seit Jahrzehnten arbeitete Johann eng und vertrauensvoll mit ihr zusammen. Zu beiderlei Gunsten und basierend auf einem einfachen Dilemma. »Wohin bloß mit dem ganzen Nippes?« hieß die Frage, die sich immer dann neu stellte, wenn mal wieder ein gläubiger Mensch sein Vermögen dem Klerus vermachte. In diesem Fall stand sie nämlich da, die Kirche, und wußte ausnahmsweise nicht weiter. Geld, Gold, Grundbesitz oder ähnliches Zeug konnte sie zwar gut gebrauchen und sagte daher auch nie nein. Aber was, zum Teufel, wollte der Papst mit einem alten Opel aus einem Nachlaß in der Oberpfalz oder der überflüssigen Bierkrugsammlung von Hubert L. aus W.? So was konnte man doch bei Gott nicht annehmen. Irgendwo hörte der Spaß auf. Der Vatikan ist schließlich kein Wertstoffhof.
Hier sprang Johann nun helfend ein. Er bot sich und seine Dienste an und beides wurde herzlich gerne in Anspruch genommen. Wann immer also ein Schaf in Deutschland (oder Österreich) starb und seinen Wandschrank in Eiche oder seinen Perserteppich samt Katze an die katholische Kirche vermachte, schickte Johann einen Wagen und kaufte alles auf.Restlos, zu einem guten Preis und ausschließlich, um es anschließend mit anständigem (!) Gewinn weiterzuverkaufen.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er mit diesem Geschäft begonnen und über die Jahre ein Dickicht aus Kontakten gesponnen, das mehr wert war als alle Lebensversicherungen der Hamburg Mannheimer zusammen. Er lebte sehr gut im Angesicht der katholischen Kirche, und selbst sinkende Mitgliederzahlen machten ihm keine Sorge. Dafür lief das Geschäft mit dem Tod zu gut, und für das Gegenteil war er außerdem zu alt.
Alles war bis ins kleinste Detail optimal durchdacht und organisiert. Da die Gläubigen überall starben und die Kirche daher dezentral erbte, betrieb Johann über ganz Deutschland und halb Österreich verteilt rund fünfzig Geschäfte, in denen er die Nachlässe, die er aufgekauft hatte, wieder unters lebende Volk brachte. Weiterhin betrieb er ein eigenes Auktionshaus und hatte dazu an zentralen Punkten in Nord-, West-, Mittel-, Ost- und Süddeutschland sowie in Wien und Salzburg jeweils Lagerflächen angemietet, in denen er all das aufbewahrte, was sich aktuell nur schlecht verkaufen ließ. »Jedes Ding hat seine Zeit«, erklärte er
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