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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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und beschloß, aus reiner Bequemlichkeit BWL zu studieren.

Worum geht es eigentlich?
    Es nieselte, als Billy mit seinem alten Schulranzen zum ersten Mal in die Universität zu Köln schlurfte. Es war das Wintersemester 93 / 94, und er war gut vorbereitet, wie er fand. Er hatte sich einen karierten College-Block gekauft und eine behördengraue Kladde zum Abheften seiner Mitschriften, weiterhin zwei schnelle Roller (in rot und grün), sowie einen neuen Taschenrechner von Casio mit Solarzellen und einem angenehmen Tastenhub. Einige angekaute Bleistifte, einen ollen Ratzefummel, einen Spitzer sowie das obligatorische Geodreieck hatte er dagegen noch aus der Abiturzeit im Bestand. Komplettiert wurde seine akademische Grundausstattung schließlich von einer Thermoskanne mit starkem schwarzen Kaffee und einer Packung John Player Special. Das sollte seine neue Marke sein. Passend zum Studiengang. Starker Tabak für starken Tobak.
    »Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre« hieß die Überschrift seiner ersten Vorlesung, und Billy hatte von Beginn an so ein komisches Gefühl. Er war einige Minuten zu spät gekommen und hatte sich wie automatisch einen unauffälligen Platz in der letzten Reihe des Hörsaals ausgesucht. Es war eine Reminiszenz an seine Schulzeit. Ganz hinten bekam man zwar weniger mit, aber dafür war die Aussicht einfach besser. »Und wer viel sieht«, davon war er überzeugt, »muß auch nicht so viel verstehen.«
    Der Professor hatte bereits angefangen, und Billy schaute sich erst mal um. So sahen sie also aus, seine Kommilitonen! Der Saal war bis oben hin vollgepackt mit unzähligen jungenMenschen, die fast ausnahmslos sehr korrekt aussahen. Hippies jedenfalls konnte Billy keine ausmachen. Im Gegenteil. Überraschend viele Jungs waren mit Aktenkoffer erschienen, während die Mädchen eindeutig die schöneren Rollkragenpullover anhatten. Dazu roch es verdächtig intensiv nach Douglas, und auf den Tischen lag die › Wirtschaftswoche‹ friedlich neben dem ›Manager‹-Magazin und der ›FAZ‹. Außerdem hörten alle zu.
    Billy ließ dieses Szenario eine Zeitlang auf sich wirken, schüttelte dabei mehrmals den Kopf, und einmal mußte er sogar laut auflachen, als er in der ersten Reihe einen ganz besonders modernen Studi entdeckte, der seine Aufzeichnungen nicht etwa handschriftlich anfertigte, sondern lieber gleich in seinen Laptop hackte. Und spätestens da fragte sich Billy zum ersten Mal, ob er hier wirklich richtig war.
    Dann beschloß er, mit seinem Studium zu beginnen. Er holte den Block und den grünen Stift aus dem Schulranzen, legte beides sorgfältig auf dem Pult zurecht, goß sich einen Kaffee ein und tat das, was alle anderen auch taten. Er hörte zu.
    »Sie sind angetreten, um diese Universität als Diplom-Kaufmann zu verlassen. Oder meinetwegen auch als Diplom-Kauffrau, wenn Sie weiblich sind und Wert auf den Unterschied legen«, erklärte der Professor die Welt.
    Er hieß Berger, war locker Mitte fünfzig und sah aus wie einer, der sich auskannte.
    »Daraus leitet sich nun eine wesentliche Verantwortlichkeit ab, die sich zunächst einmal auf uns bezieht. Mit ›uns‹ meine ich übrigens die Professoren, die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die freien Dozenten et cetera, also alle akademischen Kräfte, die mit unserem Wissenschaftsbetrieb in welcher Form auch immer verwoben sind.
    Lassen Sie es mich so formulieren: Sie haben sich dafür entschieden, an unserer Universität Betriebswirtschaftslehrezu studieren, und wir haben im Gegenzug dafür zu sorgen, daß Sie Ihre Entscheidung nicht bereuen.
    Aber wie können wir das erreichen? Die Antwort ist einfach: Wir müssen Sie zu guten Betriebswirten ausbilden. Sie sollen den Titel des Diplom-Kaufmanns am Ende Ihres Studiums zu Recht tragen dürfen, und das erreichen wir nur, indem wir Ihnen bis zum Examen die dafür notwendigen wissenschaftlichen Rahmenbedingungen anbieten.
    Sie können davon ausgehen, daß wir unsere Aufgabe äußerst ernst nehmen. Ob wir dabei allerdings erfolgreich sind, hängt in entscheidendem Maße von Ihnen selbst ab. Ich komme damit von der wissenschaftlichen Verantwortlichkeit eines Universitätsbetriebes zu Ihrer individuellen Verantwortlichkeit als Student. Denn selbst, wenn es Sie überraschen mag, das Ziel Ihres Studiums sind keineswegs die Semesterferien.«
    An dieser Stelle machte Professor Berger eine kurze Zäsur, blickte über den Rand seiner rahmenlosen Brille hinaus in den Hörsaal und wartete auf einen

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