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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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geben, nach denen so dringend gefragt wird.
    Ich will es einfach sagen. Wir bilden Sie hier nicht aus, damit sie in Buxtehude einen Tante-Emma-Laden aufmachen. Das kann nicht unser Anspruch sein. Am Ende Ihres Studiums werden Sie nicht bloße Kaufleute sein. Sie sind hier, um später einmal Schlüsselpositionen in der Weltwirtschaft zu besetzen. Darauf bereiten wir Sie in diesem Studium vor. Sie sollen als hervorragend ausgebildete Diplom-Betriebswirte unsere Universität verlassen und fortan das Wirtschaftsgeschehen in dieser Welt mitbestimmen und mitgestalten. Das ist Ihre zukünftige Aufgabe, meine Damen und Herren. Und Sie sollten dankbar dafür sein, daß es so ist.«
    Hier machte Professor Berger erneut eine kurze Pause, um der Bedeutung seiner Worte den notwendigen Platz einzuräumen. Er räusperte sich, nahm einen kleinen Schluck Wasser und blickte danach bedeutungsschwanger in die Menge.
    Billy dagegen saß fassungslos auf seinem Stuhl. Er hatte den Kopf mittlerweile aufgestützt und sein Mund stand relativ weit offen. Ihm war nach einer Zigarette. Und nach einem Schnaps.
    »Ich möchte nun meine einleitenden Bemerkungen beschließen und, wenn Sie keine Fragen mehr haben, sofort zum Stoff übergehen«, beendete Professor Berger nach weniger als fünfzehn Sekunden seine Pause.
    Fragen gab es nicht. Dafür war die Rede ja auch viel zu logisch.
    »Keine Fragen also. Dann kann es ja losgehen«, fuhr Berger daher fort und wollte auf seinem Weg zum globalen Showdown keine unnötige Zeit mehr verlieren.
    »Meine Damen und Herren, ich beginne meine Vorlesung. ›Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre‹, Kapitel eins: Einführung. Unterkapitel eins Punkt eins: das Geld.«
    Und dann ging es los. Mit einem Mal brach im Hörsaal eine hektische Betriebsamkeit aus. Man hatte offensichtlich verstanden und wollte nichts verpassen. Die Stifte wurdengezückt und die Ellenbogen nach beiden Seiten ausgefahren. O Gott, was war noch mal die Überschrift?
    Es war schon ein seltsames Bild, fand Billy. Da verwandelte sich gerade ein ahnungsloser Haufen von harmlosen Abiturienten in eine blutrünstige Meute mitschreibewütiger, ambitionierter Jungakademiker, die alle irrsinnig verantwortlich waren, und er saß daneben und schaute zu.
    Billy schaute auf seinen College-Block. »Worum geht’s?« Sonst stand da nichts. Gebannt starrte er die beiden Worte an. Irgendwann schlug er den Block zu und packte zusammen. Ganz plötzlich und voller Energie. Er trank seinen Kaffee aus und steckte sich schon mal eine Kippe hinters Ohr. Dann stand er auf und ging. Er hatte alles gehört, was er wissen mußte.

Effizienz.
    Keine zehn Minuten später saß Billy in der Cafeteria vor einem Paar Wiener Würstchen und machte sich bei scharfem Senf Gedanken über seine Zukunft. Es gab viele offene Fragen und nur eines stand fest. Er würde alles werden in seinem Leben, aber mit Sicherheit kein Betriebswirt von der Sorte, wie ihn sich Professor Berger in seinen globalen Träumen vorstellte. Mochte seinen Kommilitonen bei der Vision einer international bedeutsamen Karriere einer abgehen, ihn ließ das nur erschaudern. Das war schlicht und ergreifend nicht er. Er war kein Mensch, der global groß rauskommen wollte. Er hatte zwar nichts gegen Arbeit an sich, aber deshalb würde er sich noch lange nicht den Idealen eines Professors unterwerfen, der sich offensichtlich als Zuchtmeister einer kapitalistischen Weltelite mißverstand. Dann schon lieber der Tante-Emma-Laden in Buxtehude. Aber Karriere machen, um der ganzen Welt zu zeigen, was für dicke Eier man hat? Niemals. Karrieretechnisch war er da lieber ein bißchen impotenter als der Rest.
    Billy wußte natürlich, daß Oma Elisabeth Leidenschaft von ihm gefordert hatte. Aber spätestens beim zweiten Würstchen wußte er auch, daß er sie diesbezüglich leider enttäuschen würde. Zumindest zunächst. Das fühlte sich zwar schlecht an, doch was sollte er machen? Er war eben kein junger Mann, der bereits als kleines Kind wußte, daß er nur Lokomotivführer werden will. Im Gegenteil. Er war immer noch auf der Suche nach seiner eigentlichen Passion und wußte nicht einmal, ob er sich dabei auf einem Weg befand oder ob er sich mitten in der Pampa im Kreis drehte. Genau deshalb studierte er ja BWL. Die BWL war das Mekka der Orientierungslosen. So sah Billy das jedenfalls. Die Tatsache, daß er überhaupt studierte, beruhigte ihn ein wenig. »Und was machst du so?« will die Welt von jedem wissen. Und fortan

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