Das Weltgeheimnis (German Edition)
VIII., der den Entdecker von Beginn an bewundert.
Galilei kommt in Rom in Kontakt mit vielen potenziellen Gönnern und Mäzenen. Im Vatikan bündeln sich die Reichtümer und gegenreformatorischen Bestrebungen der katholischen Kirche, jeder Kardinal bemüht sich darum, sich und seine Familie mit dem Christentum, der Stadt und ihrer Kultur zu verbinden. Rom ist im Gegensatz zu Galileis Heimatstadt Florenz tatsächlich Weltstadt. Die toskanische Stadt zehrt nurmehr von dem teilweise bereits verblassenden Glanz vergangener Tage und von ihrem Image, einst Zentrum der internationalen Bankgeschäfte, des Humanismus und der bildenden Künste gewesen zu sein.
In Rom führt Galilei sein Fernrohr, das ferne Gebäude und Paläste ganz nah ans Auge des Betrachters heranholt, zu allen möglichen Anlässen vor. Tagsüber lassen Geistliche und Gelehrte ihre Blicke durch das wunderbare Instrument über die sieben Hügel der Stadt schweifen, nachts dürfen sie damit den Mond und die Planeten betrachten, die sich im Fernrohr nicht bloß als Lichtpunkte, sondern als kleine Scheibchen zeigen. Die Jupitermonde sind bald in aller Munde.
Mehrfach besucht Galilei Clavius und seine Mitarbeiter am Collegium Romanum. Dort veranstaltet man zu seinen Ehren sogar ein Fest, bei dem etliche Kardinäle zugegen sind. In einer Laudatio stellt der Astronom Odo van Maelcote Galileis Entdeckungen der Reihe nach vor, die Unregelmäßigkeit der Mondoberfläche wird von den Jesuiten genauso bestätigt wie die Existenz der Jupitermonde und der Venusphasen.
Wie sie zu interpretieren sind und welche Folgerungen daraus abgeleitet werden können, bleibt allerdings offen. Galileo hält sich mit seiner Meinung zurück, und Clavius, der zeit seines Lebens das ptolemäische System für das wahre gehalten hat und schon im Jahr darauf stirbt, möchte dieses Urteil den nachfolgenden Generationen überlassen. Es sei nun an ihnen, hält er fest, zu sehen, wie die Himmelskreise einzurichten sind, um die Phänomene zu retten.
Vermutlich erfährt Galilei nie, dass die Inquisition schon bei diesem Rombesuch im Frühjahr 1611 Erkundigungen über ihn einholt. Bei der entsprechenden Sitzung, in der nach Galileis Verbindungen zu anderen Personen gefragt wird, auf die das Heilige Offizium ein Auge geworfen hat, ist unter anderen Kardinal Roberto Bellarmino anwesend. Ein paar Tage zuvor hat er sich mit einem Fragenkatalog an Clavius und andere Mathematiker des Collegium Romanum gewendet, um sich von ihnen erläutern zu lassen, welche Beobachtungen Galileis als bestätigt gelten können und welche nicht.
Währenddessen hat Galilei weitere für ihn erfreuliche Begegnungen, etwa mit dem jungen Marchese Federico Cesi. Als Liebhaber und Mäzen der Wissenschaften hat Cesi die »Akademie der Luchse« gegründet, einen lockeren Zusammenschluss von Gelehrten, in den er Galilei aufnimmt. Der Marchese wird zu seinem wichtigsten Förderer in Rom.
Auch Papst Paul V. gewährt dem Mathematiker eine Audienz. Er habe Seiner Heiligkeit die Füße küssen dürfen, schreibt Galilei seinem Freund Filippo Salviati. Doch der Papst habe es nicht gestattet, »dass ich auch nur ein Wort auf Knien sagte«.
Das Ergebnis der Romreise fasst der Kardinal del Monte am 31. Mai 1611 in einem Brief an den Medici-Fürsten eindrucksvoll zusammen. Galilei habe seine Entdeckungen so gut präsentiert, dass alle Gelehrten und angesehenen Männer sie als völlig wahr und höchst bewundernswert anerkannt hätten. »Wären wir noch in der alten Römischen Republik, dann wäre ihm, glaube ich, auf dem Kapitol ein Denkmal errichtet worden, um seine außergewöhnlichen Verdienste zu würdigen.«
AM RANDE DES ABGRUNDS
Keplers Schicksalsjahr
Johannes Kepler macht es seinen Zeitgenossen nicht immer leicht, ihn zu begreifen. Sein Stil ist oft umständlich, seine Herangehensweise an astronomische Fragen religiös inspiriert und mathematisch anspruchsvoll. In der geometrischen Architektur des Kosmos sieht er das Ergebnis der höchsten Stufe der Rationalität des Schöpfergottes. Daher sein Glaube an streng mathematische Naturgesetze.
In Graz hat er als Vierundzwanzigjähriger versucht herauszufinden, warum die Abstände der Planeten von der Sonne genau so sind, wie sie sind, und nicht anders. Generationen von Forschern nach ihm werden dasselbe probieren. Statt die Planetenbahnen durch regelmäßige Vielecke zu begrenzen, werden Keplers Nachfolger die Ordnung im Sonnensystem in mathematische Formeln fassen – aber genauso
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