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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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Umdrehung der Sonne vorhergesagt hat. In seinen Briefen hat er Galilei mehrfach mit dieser Hypothese konfrontiert. Wenn sich die Rotation der Sonne mit dem Fernrohr wahrnehmen ließe, dann hätte seine Planetentheorie »Grund, sich zu gratulieren«, hatte er ihm am 9. Januar 1611 geschrieben, wenige Monate bevor Galilei die Flecken auf der Sonne erstmals einigen Gelehrten in Rom zeigte.
    Über all dies verliert Galilei kein Wort. Für ihn sitzt der Deutsche selbst in der Frage, die einen Kernpunkt seiner Theorie betrifft, lediglich im Publikum.
    Keplers Antwortschreiben an Galilei ist nicht bekannt. Kein weiterer Brief aus ihrer Korrespondenz ist mehr auffindbar. Trotzdem kann es als gesichert gelten, dass ihr Austausch nicht im Sommer 1612 endet, sondern mindestens noch ein Jahr weitergeht. Denn als Kepler im Oktober 1616 noch einmal in einem anderen Kontext auf die Sonnenflecken zurückkommt, sagt er, in denselben Zeitraum zwischen 1612 und 1613 seien Galileis Briefe an Welser gefallen »und meine an Galilei«.
    In seiner Antwort an Maelcote lobt er Galileis sorgfältige Untersuchung der Flecken. Aus dem Schreiben geht jedoch auch hervor, dass er dessen Prioritätsansprüche diesmal nicht unterstützen kann. Weder Galilei noch Scheiner sind in seinen Augen die Entdecker der Sonnenflecken. Wenn überhaupt, dann könnte dies am ehesten der Friese Johann Fabricius von sich behaupten, »der eine Schrift über diesen Gegenstand schon im Juni 1611 veröffentlichte«.
    Die Selbstbeschränkung des modernen Forschers
    Die Beobachtung der Sonnenrotation hätte Galilei einmal mehr die Möglichkeit gegeben, auf Keplers Theorie einzugehen. Aber wieder enthält er sich jeglichen Kommentars.
    Aufschlussreich für Kepler dürfte dagegen Galileis abschließende Publikation zu den Sonnenflecken sein, die er im Juli 1613 zu lesen bekommt. Zunächst grenzt sich Galilei darin gegenüber der aristotelischen Schulphilosophie ab, deren Ansichten er als Vorurteile entlarven möchte. Die von ihm nachgewiesene Veränderlichkeit der Sonne sei das »Grabgeläut oder vielmehr das jüngste Gericht« für jene Pseudowissenschaft.
    Ein Wissenschaftler müsse sich auf das beschränken, was der Erfahrung zugänglich sei, jeder Akt der Spekulation müsse gegenüber anderen Aufgaben zurückgestellt werden. »Denn entweder wollen wir auf dem Weg der Spekulation versuchen, zur wahren Essenz und zum Innersten der natürlichen Substanzen vorzudringen, oder wir wollen uns damit begnügen, von einigen ihrer Eigenschaften Kenntnis zu erlangen.« Zur Essenz vorzustoßen sei jedoch sowohl bei den ganz nahen, elementaren Substanzen als auch bei den weit entfernten, himmlischen ein unmögliches Unternehmen und eine vergebliche Mühe. Eine derartige Erkenntnis sei uns für den Zustand der Seligkeit vorbehalten. »Aber wenn wir uns an das Verständnis einiger Erscheinungen halten, scheint es mir, dass wir nicht verzweifeln müssen und es selbst bei den von uns am weitesten entfernten Körpern erreichen können.«
    Es sei nicht das primäre Anliegen der Wissenschaft, umfassende Theorien zu entwerfen – das bezeichnet er bei anderer Gelegenheit sogar als eitle Anmaßung –, sondern in wenigen Punkten Gewissheit zu erlangen. Er selbst wisse zum Beispiel viel eher, was die Sonnenflecken nicht sind, als was sie sind, es sei viel leichter, das Falsche aufzudecken, als das Wahre zu finden.
    Diese Art der Selbstbeschränkung macht Galilei zu einer zentralen Figur in der Geschichte der Naturwissenschaften. Sein kritischer Rationalismus und seine skeptisch-prüfende Haltung haben entschieden zu seinem Ruf als Begründer der modernen Physik beigetragen.
    Weil er die Schulphilosophie als derart festgefahren erlebt – genauer gesagt, sie so darstellt –, sieht man Galilei meist damit beschäftigt, die vermeintlichen Irrtümer anderer aufzudecken. Mit Verve kämpft er dafür, ein System von Vorurteilen in der Mechanik und Himmelsmechanik aufzulösen; in seinen oft bissigen, fast ausnahmslos in italienischer Sprache verfassten Streitschriften entfaltet sich sein rhetorisches Talent zur vollen Blüte.
    Neben Galileis Selbstbeschränkung wirkt Keplers Anspruch, den göttlichen Schöpfungsplan entschlüsseln zu wollen, womit er gleich in seinem allerersten Werk, dem Weltgeheimnis , begonnen hat, vermessen. Aber genau darin sieht Kepler seine höchste Aufgabe als Wissenschaftler. Durch die Hintertür der Mathematik versucht er, ein möglichst umfassendes Bild von den Vorgängen

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