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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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im Kosmos zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin kommt er zu bahnbrechenden Ergebnissen, verfängt sich aber auch immer wieder in der inneren Logik der Mathematik.
    Wie vielschichtig und vielbezüglich Kepler im Vergleich zu Galilei ist, hat das Beispiel der Optik bereits deutlich gemacht: Von der Sonne bis tief hinein ins menschliche Auge verfolgt Kepler die Ausbreitung des Lichts und verbindet auf einzigartige Weise die Kenntnisse aus Astronomie, Physik und Medizin. Dagegen zielen Galileis Teleskop und etliche seiner sonstigen Forschungsinstrumente darauf ab, möglichst genau an einen Ort zu schauen und störende Einflüsse zu beseitigen. Vor sein schmales Fernrohr setzt er bezeichnenderweise noch eine Blende, die das Gesichtsfeld weiter verengt und unerwünschte Farbfehler eliminiert. Wie die Sonnenfleckenanalyse demonstriert, erreicht Galilei auf diese Weise eine beeindruckende Tiefenschärfe. Er beherrscht dieses Metier perfekt.
    Doch so modern seine Selbstbeschränkung erscheint, so wenig ist Galilei dazu imstande, sich mit der Rolle zu begnügen, die dem Wissenschaftler durch sie zukommt: kein Universalgelehrter mehr zu sein, sondern nur ein Forscher mit spezifischem Horizont. Diese Rolle passt überhaupt nicht zu seinem Selbstbild als Hofphilosoph. In seinem übermäßigen Ehrgeiz beansprucht er immer wieder »die Wahrheit« für sich, setzt andere Forschungsmethoden und -ergebnisse herab und blendet aus, was nicht von ihm selbst kommt – auch Keplers Planetentheorie. »Dass in Galileos Lebenswerk dieser entscheidende Fortschritt keine Spuren hinterlassen hat«, so Albert Einstein, »ist ein groteskes Beispiel dafür, dass schöpferische Menschen oft nicht rezeptiv veranlagt sind.«
    Himmlische Kreise statt Ellipsen
    Keplers Planetentheorie trifft bei Galilei einen empfindlichen Nerv. Selbst Galileis Gönner, der Marchese Federico Cesi, versucht im Sommer 1612 vergeblich, eine Diskussion über die keplerschen Ellipsen mit ihm anzuzetteln. Cesi meint, Keplers Planetenmodell sei plausibler als die vielen Kreisbahnen in den bisherigen Theorien. Galilei weicht auch ihm aus. Seine Vorstellungen von der Bewegung der Planeten unterscheiden sich von Grund auf von denen seines deutschen Kollegen. Wie diese aussehen, deutet er in seinem Traktat über die Sonnenflecken an. Quasi nebenbei lässt er hier erstmals Ergebnisse aus seinen langjährigen physikalischen Studien einfließen, und zwar Überlegungen zur Besonderheit der Kreis- und Rotationsbewegung: Wenn die Besatzung eines Schiffes die Segel einholt und mit den Ruderbewegungen aufhört, setzt dieses Schiff seinen Kurs zunächst mit der erreichten Geschwindigkeit fort. Angenommen, man könnte alle äußeren Widerstände wie die Reibung aufheben, »dann würde es sich auf dem ruhigen Meer weiterbewegen und unaufhörlich rund um unseren Globus fahren, ohne jemals anzuhalten«.
    Dasselbe gilt Galilei zufolge für einen Ball, der auf einer glatt polierten Fläche rollt. Ist diese Ebene nach unten geneigt, wird der Ball beschleunigt, steigt die Ebene an, wird die Bewegung des Balles gebremst. Wenn sie dagegen weder nach unten noch nach oben geneigt ist, dann wird der rollende Ball weder beschleunigt noch gebremst. Er setzt seine ursprüngliche Bewegung unverändert fort. In Galileis Gedankenexperiment würde er immer weiter rollen, wenn man ihn auf einem den ganzen Globus umspannenden Tisch umlaufen ließe.
    In diesem Zusammenhang spricht er von einer »neutralen« Bewegung, einer, die weder zum Mittelpunkt der Erde gerichtet ist noch sich von ihm entfernt. Schiff und Ball halten ihre Kreisbahn um die Erde. Galilei fasst diese Kreisbewegung als einen Zustand auf, der, einmal in Gang gesetzt, keinen weiteren Krafteinsatz erfordert.
    Daher ist es für ihn geradezu selbstverständlich, dass sich auch die Himmelskörper auf Kreisbahnen bewegen. In diesem Fall gäbe es nämlich eine einfache Erklärung für die Unveränderlichkeit der kosmischen Ordnung: Wie Schiffe auf dem Ozean würden die Planeten und Monde ihre einmal vorgegebenen Bahnen schlicht beibehalten.
    Galilei sagt dies nicht explizit. Aber etliche Wissenschaftshistoriker vermuten, dass die »neutrale« Bewegung das Bindeglied schlechthin zwischen seiner Mechanik und seiner Himmelsmechanik ist. Seine »eigentümliche Lehre vom unzerstörbaren Beharren der Kreisbewegung«, wie Emil Wohlwill sie nennt, schließt Keplers Theorie de facto aus. Entweder bewegen sich die Planeten von sich aus, oder sie erhalten ihren Impuls

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