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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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wissen, zum Beispiel das Wunder Joshuas. Dieses Wunder soll darin bestanden haben, dass Gott die Stimme Joshuas erhörte, als dieser sagte: »Sonne, steh still über Gibeon!« Die Sonne blieb so lange stehen, bis das Volk der Israeliten an seinen Feinden Rache genommen hatte.
    Galilei behandelt dieses biblische Wunder ganz anders als Kepler. In seinem Brief an Castelli will er den Nachweis erbringen, dass das Anhalten der Sonne nur im kopernikanischen Weltbild problemlos möglich ist, während man im geozentrischen System den ganzen Himmel damit durcheinanderbringen würde.
    Solche eigenmächtigen und mathematisch spitzfindigen Auslegungen der Bibel machen ihn in den Augen seiner Gegner erst recht angreifbar. Hat nicht die römische Kirche genug damit zu kämpfen, dass Lutheraner und Calvinisten die Bibel nach eigenem Gutdünken deuten? Soll nun auch noch ein Mathematiker den katholischen Theologen erklären, wie sie die Heilige Schrift auszulegen haben?
    Die Denunziation
    Galilei ist seit der Entdeckung der Venusphasen fest davon überzeugt, dass das kopernikanische Weltmodell den wirklichen Verhältnissen entspricht. Er möchte die Kirche davor bewahren, voreilige Schlüsse aus den Passagen der Bibel zu ziehen, die die Natur betreffen. In seinem Eifer manövriert er sich in den kommenden Jahren tiefer und tiefer in diese heikle Angelegenheit hinein.
    Am 21. Dezember 1614 greift der Dominikaner Tommaso Caccini die ganze Mathematikerzunft bei einer Predigt in Florenz an, zwei Monate später denunziert sein Ordensbruder Niccolò Lorini Galilei bei der Inquisition, nachdem er in Besitz einer Abschrift des Briefes an Castelli gelangt ist. Wie jede ordentliche Denunziation spart sie nicht mit Hinweisen darauf, dass Galilei mit dubiosen Gestalten wie Paolo Sarpi in Venedig verkehre, Kontakte zu Deutschen, also Ketzern, pflege und abwertend von den Kirchenvätern spreche.
    Spätestens jetzt, da die Inquisition tätig wird, wäre äußerste Vorsicht geboten. Dem toskanischen Gesandten zufolge ist Rom in diesen Zeiten nicht der Ort, »um über den Mond zu debattieren und neue Ideen zu vertreten«. Papst Paul V. will den durch die Reformation verloren gegangenen Einfluss der katholischen Kirche zurückgewinnen, die wichtigsten Mittel dazu sind die strengen Bestimmungen des Konzils von Trient.
    Der Kardinal-Inquisitor Roberto Bellarmino, einer der herausragenden Intellektuellen in Rom, erteilt Galilei den Rat, die Grenzen der Philosophie nicht zu überschreiten. Die Auslegung der Schrift sei Sache der Theologen.
    Doch auch unter den Vertretern der Kirche haben Kopernikus, Kepler und Galilei inzwischen Anhänger gefunden. Ein Mönch aus Neapel, der Karmeliter Paolo Antonio Foscarini, bringt die kopernikanische These in einem Büchlein unters Volk. Foscarini prüft alle zweifelhaften Stellen der Bibel daraufhin, wie sie mit der neuen Theorie in Einklang zu bringen sind. Der Handlungsbedarf vonseiten der Kirche wird nun noch deutlicher.
    Im Einklang mit dem Konzil besteht Bellarmino auf einer wörtlichen Auslegung der Bibel. An Foscarini schreibt er: Nur wenn es einen Beweis für die Bewegung der Erde gäbe, wäre es notwendig, mit viel Bedacht an die Auslegung entsprechender Schriftstellen heranzugehen. Doch ein solcher Beweis liege nicht vor. Bellarmino betrachtet das kopernikanische Modell als rein mathematische Hypothese, und im Zweifelsfall dürfe man sich nicht von der Auslegung der Heiligen Schrift durch die Kirchenväter entfernen.
    Galilei nimmt sich die Ratschläge der Kardinäle Bellarmino, Barberini und seiner Freunde in Rom nicht zu Herzen, sondern geht in die Offensive. Er reist persönlich in die Heilige Stadt und zieht seine letzte Trumpfkarte: Dem jungen Kardinal Alessandro d’Orsini, den er für seine Ideen hat gewinnen können, gibt er für ein Gespräch mit dem Papst neues Beweismaterial mit auf den Weg. Mit einer soeben erst ausgearbeiteten Theorie über Ebbe und Flut meint er, einen Beweis dafür gefunden zu haben, dass die kopernikanische Lehre richtig ist. Nur auf einer bewegten Erde kann es seiner Ansicht nach zu einem Phänomen wie den Gezeiten kommen.
    Sein Engagement und seine Anwesenheit in Rom schaden ihm jedoch mehr, als dass sie ihm helfen. Der toskanische Gesandte in Rom warnt den Medici-Fürsten in Florenz, Galilei sei ungestüm und leidenschaftlich und setze sich großen Gefahren aus. Wenige Wochen später, im Februar 1616, beginnen die entscheidenden Sitzungen des Heiligen Offiziums. Die

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