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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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nahezu allen Belangen überlegen ist. Galileis Sonnenfleckenzeichnungen sind beispiellos. Wo Scheiner kleine, scharf umrandete Objekte in seine Bildtafeln eingetragen hat, die seiner Vorstellung von Himmelskörpern Rechnung tragen, zeichnet Galilei die geheimnisvollen Flecken in ihrer ganzen Feinstruktur. In kunstvollen Miniaturen hält er fest, wie sie sich zusammenballen und in Fragmente auflösen, während sie über die Sonne wandern, wie ihre Helligkeit variiert und wie sich die dunklen Schatten schließlich zum Rand der Scheibe hin verkürzen, ehe sie verschwinden.
    Die breit angelegte Beobachtungsreihe startet er zusammen mit dem Maler Ludovico Cigoli, mit dem er seit seiner Studienzeit befreundet ist. Die beiden spielen »über Bande«, wie der Kunsthistoriker Horst Bredekamp erläutert. Sie sitzen an unterschiedlichen Orten – Cigoli in Rom, Galilei in Florenz –, schicken sich ihre Zeichnungen zu und verbessern sukzessive ihre Beobachtungstechnik und Darstellungsweise.
    Nachdem Galileos Schüler Benedetto Castelli einen Projektionsapparat konstruiert hat, mit dem sich das Bild der Sonne in einfacher Weise auf ein Blatt werfen lässt, arbeiten sie die innere Struktur der Flecken in allen Einzelheiten heraus. Gegen diese geballte Sachkenntnis kommt Scheiner nicht an. »Die beiden sich überlappenden Serien Galileis und Cigolis bilden das schwerlich überbietbare Ergebnis einer Forschergemeinschaft von Naturwissenschaftler und Künstler«, so Bredekamp.
    Seine vorläufigen Resultate fasst Galilei in dem Brief an Kepler vom 23. Juni 1612 zusammen. Er habe Sonnenflecken gesehen, die sich innerhalb von zwei, drei oder vier Tagen auflösten, andere blieben für fünfzehn, zwanzig oder dreißig Tage erhalten oder noch länger. »Ihre Formen verändern sich und sind darüber hinaus völlig irregulär; sie verdichten sich und zerfallen, einige sind tief schwarz und andere weniger dunkel; oft teilt sich einer in drei oder vier, ein anderer in zwei oder drei Teile, oder sie vereinigen sich zu einem einzelnen.«
    Galilei ist zu der Überzeugung gekommen, dass es sich bei den Flecken um wolkenartige Gebilde handelt, die an die Sonne gebunden sind. In ihrer Bewegung folgten alle der Rotation der Sonne, »die sich in etwa einem Mondmonat um sich selbst dreht«. Und zwar in derselben Drehrichtung wie die Planeten. Mit der Feststellung, dass die Sonne um ihre eigene Achse rotiert, endet sein prägnanter Forschungsbericht.
    Brisante Neuigkeiten?
    Der Brief erreicht Kepler auf Umwegen. Denn als der toskanische Botschafter, Giuliano de’ Medici, im August 1612 vom Fürstentag zurückkehrt, ist Kepler schon nicht mehr in Prag. Der kaiserliche Mathematiker habe die Stadt inzwischen verlassen, teilt der Botschafter Galilei mit. Reich an Geistesgaben, aber vom Schicksal nicht gerade begünstigt, habe Kepler ein Angebot in Oberösterreich angenommen und seinen Wohnsitz nach Linz verlegt, wo er seinen Studien mit weniger Sorge um die häuslichen Dinge nachgehen könne. Den Brief Galileis werde Matthäus Wackher von Wackenfels weiterleiten.
    Auch das braucht wohl eine Weile. »Wir in Linz«, so Kepler, »entbehren nämlich der Wohltat einer Post. Das Volk der Boten aber ist den Gelehrten feindselig gestimmt.« Mehrfach beschwert er sich über die Unzuverlässigkeit der Kuriere und ihre unverschämten Preise. Einige Briefe dringen gar nicht zu ihm durch, andere sind ein halbes Jahr oder noch länger unterwegs, so etwa ein Brief des Mathematikers Odo van Maelcote aus Brüssel vom Dezember 1612, der erst im Juli 1613 nach siebenmonatiger Odyssee bei ihm landet.
    Maelcote äußert sich ebenfalls zum gegenwärtigen Topthema der Astronomie: der Entdeckung der Sonnenflecken. Der angesehene Mathematiker hat im Frühjahr 1611 bei der großen Feier am Jesuitenkolleg in Rom die viel beachtete Rede auf Galileis Sternenboten gehalten, ihm sind auch Keplers Werke »bestens bekannt«.
    Von der Neuen Astronomie sei er ausgesprochen angetan, insbesondere von der Art und Weise, wie Kepler das ptolemäische, das kopernikanische und das tychonische Weltbild darin miteinander verglichen habe. Er berichtet seinem protestantischen Fachkollegen von eigenen Beobachtungen der Sonnenflecken – fragend und mit der Bitte, Kepler möge ihm seine Forschungsergebnisse mitteilen.
    Liest man nach diesem Brief den Galileis, werden viele Unterschiede deutlich. Galilei spricht Kepler kein einziges Mal auf dessen astronomische Studien an, und das, obschon Kepler die

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