Das Weltgeheimnis (German Edition)
in der Schwebe bleiben, bis einer, der in außerordentlicher Feinheit der Beobachtung geschult ist, auch diese Entdeckung macht, die uns nach dem Urteil mancher Leute dein Erfolg allerdings verspricht.«
Die Frage bleibt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in der Schwebe. Erst im Jahr 1995 weisen Michel Mayor und Didier Queloz erstmals die Existenz von Planeten in einem fernen Sonnensystem nach.
Wie weit Galileis Entdeckungen Keplers Phantasie in die Zukunft tragen, illustriert der Schluss seines Briefes. Nachdem Galilei die Verwandtschaft des Mondes mit der Erde dargelegt hat, kann sich Kepler den Gedanken nicht verkneifen, »dass nicht nur der Mond, sondern gerade auch Jupiter Bewohner habe … Komme erst mal einer, der die Kunst des Fliegens lehre, dann werde es an Kolonisten aus unserem Menschengeschlecht nicht fehlen. Wer hätte doch ehedem geglaubt, das Befahren des unendlichen Ozeans werde ruhiger und sicherer sein als das der engen Adria, der Ostsee oder des Ärmelkanals? Gib nur Schiffe oder richte Segel für die Himmelsluft her, und es werden auch die Menschen da sein, die sich vor der entsetzlichen Weite nicht fürchten. Und so, als ob die wagemutigen Reisenden schon morgen vor der Tür stünden, wollen wir die Astronomie für sie begründen, ich die des Mondes, du, Galilei, die des Jupiter. So weit die amüsante Zwischenbemerkung zum Wunder der menschlichen Kühnheit, die sich in besonderem Maß bei Menschen dieses Jahrhunderts zeigt.«
Die »amüsante Zwischenbemerkung« fällt 350 Jahre vor Beginn der Raumfahrt. Von Galileis Neuigkeiten beflügelt, reist Kepler in die Zukunft. Noch kühner als in seinem Traum vom Mond skizziert er hier in wenigen Sätzen das, was Romanautoren wie Jules Verne eines Tages zu wunderbaren Geschichten ausgestalten werden.
Gegen die griesgrämigen Kritiker alles Neuen
Keplers Antwort auf den Sternenboten hat, mit dem Wissenschaftshistoriker Emil Wohlwill gesprochen, »in der Geschichte der Wissenschaften vielleicht nicht ihresgleichen«. Auf eindrucksvolle Weise verbindet er die neuen Erkenntnisse mit dem bereits Vertrauten. Er weist Galileis Entdeckungen umgehend ihren Platz in der Geschichte der Astronomie zu, bemüht sich um die Klärung neuer Begriffe, markiert Brüche mit der traditionellen Astronomie, benennt Anknüpfungspunkte für künftige Forschungsprojekte und kritisiert seinen Kollegen dafür, dass dieser keinen seiner Vordenker beim Namen nennt. »Auch dir wird trotzdem noch Ruhm genug bleiben.« Natürlich vergisst Kepler auch nicht, seine eigenen Werke zu erwähnen, wo immer es ihm möglich ist.
Den umfangreichen Kommentar verfasst er innerhalb weniger Tage nach Einblick in den Sternenboten . Er begreift, dass dies eine Sternstunde der Wissenschaft ist. Mit der Erfindung des Fernrohrs bahnt sich eine neue Weltsicht ihren Weg. Weil er den Brief unbedingt dem Kurier mitgeben möchte, der gleich nach Ostern wieder von Prag abreisen und nach Italien aufbrechen wird, beeilt sich Kepler mit seinen Ausführungen.
Er ist sich darüber im Klaren, dass sein Schreiben ein äußerst wichtiges Gutachten für Galileis Karriere sein wird. »Da viele meine Meinung über Galileis Sternenboten hören wollten, entschloss ich mich aus Gründen der Arbeitsersparnis, ihnen allen dadurch zu genügen, dass ich meinen Brief an Galilei (wiewohl ich ihn in großer Eile zwischen dringenden Arbeiten hinwerfen musste, um die vorgeschriebene Frist einzuhalten) im Druck veröffentliche.« Die Kosten dafür trägt er selbst.
Der kaiserliche Mathematiker macht seinen Brief öffentlich, ohne zuvor die Möglichkeit gehabt zu haben, Galileis Beobachtungen zu überprüfen. Er hofft, der Brief werde dem Kollegen dazu verhelfen, gegen die »griesgrämigen Kritiker alles Neuen« besser gewappnet zu sein.
Der Kritik, der er sich damit selbst aussetzt, begegnet er in einem nachträglich eingefügten Vorwort, einer »Ermahnung an den Leser«: Er habe »nichts über Galilei geschrieben, was geschminkt wäre … Nie habe ich fremdes Gedankengut verachtet oder verleugnet, wenn mir eigenes mangelte; nie habe ich mich auch anderen gegenüber unterwürfig gezeigt oder mich selbst in den Hintergrund gestellt, wenn ich etwas aus eigener Kraft besser oder früher gefunden hatte. Und ich glaube auch gar nicht, dass der Italiener Galilei mich Deutschen so zu Dank verpflichtet hätte, dass ich ihm auf Kosten der Wahrheit oder meiner innersten Überzeugung als Gegenleistung Schmeicheleien sagen müsste.«
Er
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