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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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Seen und Meere hielt, die hellen Stellen dagegen für Festland, widersprochen. Aber seine zuvor geäußerten Ansichten hinderten ihn nun »in keiner Weise, dich anzuhören, wenn du in scharfer und unwiderleglicher Schlussfolgerung für Plutarch gegen mich mit mathematischen Gründen plädierst«. Galilei habe ihn mit seinen Beobachtungen und Argumenten »völlig überzeugt«.
    Wieder korrigiert er eine seiner bisherigen Auffassungen. Er hat keine Scheu zu sagen: »Ich habe mich geirrt!« Oder: »Ich weiß nicht!« Kepler ist ein Suchender und verkörpert als solcher in besonderer Weise das, was die Dynamik der neuzeitlichen Wissenschaft ausmacht: das Bewusstsein, keine definitiven Gewissheiten erlangen zu können. In der Forschung geht es nicht um endgültige Wahrheiten, sondern darum, bestehende Urteile zu hinterfragen und verschiedene Hypothesen mithilfe allgemein zugänglicher Methoden zu prüfen. Dass dies ein offener Prozess ist, lässt sich am Beispiel des Mondgesichts nachvollziehen.
    Der Mond erzeugt sein Licht nicht selbst, sondern erhält es von der Sonne und wirft es zurück. Aristoteles betrachtete ihn als eine perfekt gestaltete Kugel und führte die Flecken darauf zurück, dass der Mond aus einem Gemisch aus Äther und Luft besteht. Dagegen vertrat Plutarch die Minderheitsmeinung, das Nachtgestirn sei wie die Erde aus Landflächen und Meeren zusammengesetzt.
    Anderthalbtausend Jahre später lesen Galilei und Kepler Plutarchs Mondgesicht mit neuen Augen, denn inzwischen hat sich das Bild der Erde gewandelt. Hatte man über Jahrtausende geglaubt, die andere, unerforschte Hälfte der Globus sei nichts als Wasser, sind nun mit Nord- und Südamerika riesige Landmassen hinzugekommen. Der marmorierte Mond, auf dem Galilei und Kepler Kontinente und Ozeane vermuten, steht in direkter Analogie zu diesem Globus aus Erd- und Wassermassen.
    Nach heutigem Kenntnisstand gibt es jedoch keine Meere auf dem Mond. Was uns von der Erde aus dunkler erscheint und was wir noch heute als »Mare« bezeichnen, sind riesige Becken, die sich vermutlich schon vor Jahrmilliarden mit Lava gefüllt haben. Sie bestehen aus dunklem Basalt, während die helleren Gebiete von glasartigem Silikatgestein bedeckt sind. Zusammen geben sie dem Mond sein plastisches Gesicht, das Galilei anhand seiner Beobachtungen zu deuten versucht.
    Über die vielen kreisrunden Becken, die Galilei im helleren Teil des Mondes entdeckt hat, ist Kepler überrascht. »Du vergleichst sie mit Tälern unserer Erde, und ich gestehe, es gibt solche Täler, vor allem in der Steiermark, von annähernd runder Gestalt … Da du aber hinzufügst, diese Flecken seien so zahlreich, dass sie den hellen Teil des Mondkörpers einem Pfauenschwanz ähnlich machen, der in mannigfache Spiegel, gleichsam Augen, aufgeteilt ist, so drängt sich die Vermutung auf, ob etwa auf dem Mond diese Flecken eine andere Bedeutung haben.«
    Es ist typisch für Kepler, dass er sich mit Galileis Vergleich nicht zufriedengibt. Seine Neugierde treibt ihn weiter. Er möchte den Grund für diese seltsamen Erscheinungen wissen, kann aber über den Ursprung der vielen kreisförmigen Vertiefungen nur spekulieren: »Ist es mir erlaubt, die Vermutung auszusprechen, der Mond sei wie ein Bimsstein, ringsum von zahllosen, großen Poren klaffend?«
    Nach diesem immerhin physikalischen Erklärungsversuch bringt Kepler eine noch originellere These vor: Es könnte sich vielleicht sogar um künstliche Bauwerke handeln, um riesige Erdwälle, die die Mondbewohner ausheben, um beispielsweise Ebenen tiefer zu legen und Wasser zu finden. Die Wälle könnten ihnen Schutz vor der schier unerträglichen Hitze des so lange andauernden Mondtages gewähren, indem sie »hinter den aufgeworfenen Erdwällen im Schatten liegen und … mit der Bewegung der Sonne dem Schatten folgend herumwandern«.
    Kepler hat eine blühende Phantasie, tappt in dieser Angelegenheit jedoch völlig im Dunkeln. Es vergehen Jahrhunderte bis zu ihrer Aufhellung. Am längsten hält sich die Meinung, bei den zahllosen Mondkratern handele es sich um Vulkane. Erst als im Juli 1964 erstmals eine amerikanische Raumsonde Nahaufnahmen vom Mond zur Erde übermittelt, wird erkennbar, wie sehr die Mondoberfläche mit kreisrunden Trichtern übersät ist. Die Krater liegen dicht an dicht, es gibt sie in allen Größenordnungen: von 100 Kilometern Durchmesser, 100 Metern oder auch nur 100 Zentimetern – richtige Dellen im Mond. Aus dem Weltraum herabstürzende

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