Das Weltgeheimnis (German Edition)
geht auf keine einzige der wissenschaftlichen Fragen ein, mit denen er ihn konfrontiert hat. Er zieht sich mit dem Versprechen aus der Affäre, in einer zweiten Ausgabe seines Sternenboten Stellung zu beziehen, die allerdings nie erscheinen wird.
Dass Galilei ihm kein Fernrohr schickt, da er in ihm einen Konkurrenten sieht, kann man vielleicht noch verstehen. Als Zeichen des Danks hätte er ihm jedoch wenigstens ein paar Tipps hinsichtlich der Auswahl der Linsen oder für die Beobachtungspraxis geben können, wie er sie wenig später Christopher Clavius aus Rom zukommen lässt. Galilei benennt auch keinen glaubwürdigen Zeugen für die Existenz der Jupitermonde, sondern einen absoluten Laien: den Medici-Fürsten, dem er die Jupitermonde gewidmet hat.
Vor allem jedoch sagt ihm Galilei unverhohlen, worauf es ihm nun in erster Linie ankommt: nicht auf philosophische Diskussionen, wie Kepler sie wünscht, sondern darauf, dass er für seine Entdeckungen ordentlich bezahlt wird. Tausend Dukaten hier, tausend Gulden dort – Kepler, der kaum weiß, wie er seinen Unterhalt bestreiten soll, und sich schon lange grämt, dass er seiner Frau, die aus gutem Hause stammt, kein besseres Leben bieten kann, muss Galileis Prahlerei bitter aufstoßen.
Dem Entdecker auf den Fersen
Obschon Galilei einem Dialog ausweicht, ist Kepler aber viel zu leidenschaftlich und schon viel zu sehr involviert, um nun einen Schritt zurückzutreten und seinem Kollegen mit einer größeren Distanz zu begegnen. Der Zufall will es, dass ihm just in dem Moment, da er den Brief beiseitelegt, das gewünschte Fernrohr in die Hände fällt, mit dem er endlich selbst nach den Jupitermonden Ausschau halten kann.
Der Kurfürst von Köln, der zwischenzeitlich als Unterhändler nach Wien gereist ist, kehrt Ende August wieder an den Hof zurück. Nach monatelangem Hin und Her ist ein Einigungsvertrag zwischen dem Kaiser und seinem Bruder in greifbare Nähe gerückt. Im Reisegepäck des Kurfürsten befindet sich ein Fernrohr, und zwar ein besonders gutes. Galilei hat es ihm persönlich übersandt. Nun stellt er das Instrument dem von ihm geschätzten kaiserlichen Hofmathematiker für einige Nächte zur Verfügung.
Vom 30. August bis zum 9. September 1610 hat Kepler Zeit, Galileis Behauptungen zu prüfen. Er nutzt diese Gelegenheit, um alle Zweifel an der Existenz der Jupitermonde ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Kepler lädt Franz Tengnagel, Benjamin Ursinus und andere Experten zu einer nächtlichen Beobachtungsreihe ein. Jeder der Anwesenden soll das, was er mit dem Fernrohr sieht, für sich mit Kreide auf eine Tafel aufzeichnen, hinterher werden die Ergebnisse miteinander verglichen.
Die wenigen Beobachtungsnächte werden zu einer glänzenden Bestätigung für Galilei. Pünktlich zu seinem Umzug nach Florenz kann der Philosoph und Mathematiker der Medici erneut mit wunderbaren Nachrichten aus Prag aufwarten und dem toskanischen Großherzog mitteilen, dass selbst der habsburgische Kaiser die Jupitermonde zu Gesicht bekommen habe.
Mit dieser Botschaft verbreitet sich in Florenz das Gerücht, Kepler habe, als er die Jupitermonde zum ersten Mal sah, ausgerufen: »Viciste Galilei!« – »Du hast gesiegt, Galilei!« Diesmal jedoch versucht Kepler, nüchterner zu bleiben, und protokolliert die Beobachtungsergebnisse ähnlich schnörkellos, wie Galilei dies in seinem Sternenboten vorexerziert hat. Auch diese kleine Schrift wird sofort in Florenz nachgedruckt.
»Dies ist alles, teurer Leser, was ich dir von den wenigen und übereilten Beobachtungen öffentlich mitteilen zu müssen glaubte, damit du entweder auf mein und meiner Zeugen Zeugnis hin in Zukunft unter Abweisung jeden Zweifels die offenbare Wahrheit anerkennst oder dir selbst ein gutes Instrument verschaffst, das dich durch den Augenschein überzeuge.«
Der eifrige Kepler ist Galilei erneut dicht auf den Fersen. Nur wenige Tage nach Erhalt des unbefriedigenden Schreibens aus Padua kommt ihm jener schon wieder nicht mehr so unnahbar und unerreichbar vor. Wie wir der Korrespondenz des Botschafters Giuliano de’ Medici entnehmen können, macht sich Kepler sogar Hoffnung, die in Padua frei gewordene Professorenstelle zu übernehmen. Weil er in Prag seine Felle wegschwimmen sieht, spielt er mit dem Gedanken, in Galileis Fußstapfen zu treten.
Und Galilei ist anscheinend dazu bereit, sich für seinen deutschen Kollegen zu verwenden. Er habe es nicht versäumt, sofort nach Venedig zu schreiben, lässt
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