Das Weltgeheimnis (German Edition)
gebildet.
Die lang erwartete Antwort aus Padua
Inzwischen ist Keplers Brief in Padua angelangt. Nachdem Galilei den eindringlichen Appell gelesen hat, greift er endlich zur Feder. Es ist nach dreizehn Jahren der erste Brief, den Kepler von ihm bekommt, und man kann sich die Erregung vorstellen, in der dieser das Schreiben öffnet.
Durch die Fernrohrbeobachtungen ist Galilei für ihn zur Leitfigur einer neuen Wissenschaft geworden. Außerdem hat ihm Galilei schon vor langer Zeit, in einem Brief aus dem Jahr 1597, anvertraut, ein Anhänger des kopernikanischen Weltbilds zu sein. Kepler sieht ihn schon als Mitstreiter an seiner Seite. »Wir sind eben beide Kopernikaner«, hat er im Mai an Magini geschrieben und in seinem Kommentar zum Sternenboten kaum eine seiner eigenen Publikationen unerwähnt gelassen. Er hofft darauf, endlich auch von Galilei als Forscher wahrgenommen zu werden. Voller Spannung beginnt er zu lesen:
»Ich habe Eure beiden Schreiben erhalten, mein gelehrtester Kepler. Auf das Erstere, das Ihr bereits der Öffentlichkeit übergeben habt, werde ich in der zweiten Ausgabe meiner Beobachtungen antworten«, schreibt Galilei. »Inzwischen danke ich Euch, dass Ihr als Erster und fast als Einziger mit dem Freimut und der geistigen Überlegenheit, die Euch auszeichnen, ohne die Sache selber gesehen zu haben, meinen Aussagen vollen Glauben geschenkt habt.« Auf den zweiten Brief, den er eben erst erhalten habe, wolle er nur ganz kurz eingehen, es seien nur noch wenige Stunden zum Schreiben übrig.
Mit einem Fernrohr könne er ihm leider nicht dienen, fährt Galilei fort. Nachdem er sein Gerät dem Großherzog der Toskana zum Geschenk gemacht habe, besitze er keines mehr. Erst nach seinem bevorstehenden Umzug nach Florenz werde er sobald als möglich neue Instrumente herstellen und seinen Freunden schicken.
»Ihr wünscht weitere Zeugen, mein lieber Kepler. Ich nenne den Großherzog der Toskana. Nachdem er in den vergangenen Monaten die Mediceischen Planeten öfters mit mir in Pisa beobachtet hatte, gab er mir bei der Abreise ein Geschenk, das mehr als 1000 Dukaten wert ist, und beruft mich soeben in seine Vaterstadt mit einem Jahresgehalt von ebenfalls tausend Dukaten und mit dem Titel eines Philosophen und Mathematikers Seiner Durchlaucht.« Dabei seien ihm keine weiteren Verpflichtungen auferlegt. Er genieße nun vollkommen freie Muße, um seine Bücher zu vollenden: über die Mechanik, den Aufbau des Weltalls und einiges mehr.
»Ferner stelle ich mich selber als Zeugen vor, der ich an unserem Gymnasium mit einem besonderen Gehalt von 1000 Gulden ausgezeichnet wurde, das noch kein Mathematikprofessor je bekommen hat und das ich in Sicherheit mein Leben lang genießen könnte, auch wenn die Planeten uns foppen und verschwinden würden. Ich ziehe aber weg und begebe mich dorthin, wo ich für meine Täuschung mit Not und Schande büßen müsste.«
Galilei führt noch den Bruder des großherzoglichen Gesandten als Gewährsmann auf, allerdings niemanden vom Fach. Wenn der Gegner irre, was brauche er da weitere Zeugen!
»Wir wollen über die ausnehmende Dummheit der Menge lachen, mein Kepler. Was sagt Ihr über die Hauptphilosophen unseres Gymnasiums, die mit der Hartnäckigkeit einer Natter nie, wenn ich auch tausendmal mir Mühe gab und ihnen von mir aus ein Anerbieten machte, die Planeten, den Mond oder das Fernrohr sehen wollten! Wahrhaftig, wie jene die Ohren, so haben diese die Augen gegenüber dem Licht der Wahrheit zugehalten.«
Das sei betrüblich, wundere ihn aber nicht. Diese Gattung von Menschen halte nämlich die Philosophie für ein Buch wie die Äneis oder die Odyssee . Sie seien in dem Glauben befangen, man müsse die Wahrheit nicht in der Welt oder in der Natur suchen, sondern im Vergleich der Texte.
»In was für Lachsalven würdet Ihr ausbrechen, mein freundlichster Kepler, wenn Ihr hören würdet, was in Pisa von dem Hauptphilosophen des dortigen Gymnasiums gegen mich vor dem Großherzog vorgebracht wurde, als er mit logischen Gründen wie mit Zauberformeln die neuen Planeten vom Himmel reißen und wegdisputieren wollte! Aber die Nacht bricht ein, und ich kann mich nicht mehr länger mit Euch unterhalten. Lebt wohl, hochgelehrter Herr, und bleibt mir wie bisher gewogen.«
Keplers hohe Erwartungen bekommen mit diesem Brief einen weiteren Dämpfer. Während eine Antwort auf den ersten Brief völlig ausbleibt, ist die auf Keplers zweites Schreiben schlichtweg enttäuschend. Galilei
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