Das Weltgeheimnis (German Edition)
er dazu kein anderes Mittel als seine Musik.
Giulias Verwandte greifen dem jungen Ehepaar in den ersten Jahren ein ums andere Mal unter die Arme, vor allem nachdem die junge Frau am 15. Februar 1564 ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat: Galileo. Der Junge hält sich während seiner ersten zehn Lebensjahre viel im Haus seiner Tante auf, während der Vater oft auf Reisen geht: nach Florenz, Rom und Venedig, später wird Vincenzo auch den Hof Albrechts V. von Bayern besuchen.
Der »edle Florentiner«
Vincenzo ist Musiker mit Leib und Seele. Seinen Kindern bringt er das Lautenspiel wohl noch vor dem Lesen und Schreiben bei. Der Jüngere, Michelangelo, wird einmal Berufsmusiker am Hof des Herzogs von Bayern werden. Auch Galileo musiziert von klein auf viel auf der Laute, das Instrument wird ihm noch im hohen Alter ein Trost sein, als er von der Inquisition zum Hausarrest verurteilt wird und erblindet.
Galileo ist gerade vier Jahre alt, als sein Vater mit seiner nächsten Publikation auf sich aufmerksam macht. In der als Dialog verfassten Schrift erläutert ein Lautenspieler einem Laien die zeitgenössische Musik anhand zahlreicher Beispiele. Auf dem Titelblatt stellt sich der Autor der Leserschaft als »edler Florentiner« vor, eine Wendung, die sein Sohn später auch für sich in Anspruch nehmen wird.
In Pisa hat Vincenzo auf Dauer kaum Möglichkeiten, sein Talent zu entfalten. Die Bemühungen Cosimos I., der Universität zu mehr Glanz zu verhelfen, indem er international bekannte Ärzte und Philosophen nach Pisa holt, haben nur mäßigen Erfolg. Der Zulauf an Studenten bleibt gering, Vincenzo fehlt es an Schülern und fachlichem Austausch.
1572 zieht Galileos Vater in die 60 000 Einwohner zählende Hauptstadt Florenz um, zwei Jahre später holt er seine Familie nach. Es ist das Jahr, in dem Cosimo I. stirbt und mit seinem Sohn Francesco ein neuer Großherzog und potenzieller Mäzen an die Macht kommt. An seinem Hof, dem Zentrum des geistigen und künstlerischen Lebens in Florenz, bekommt Vincenzo mehr Aufträge als in Pisa, hier begegnet er Komponisten und Musikern, Dichtern und Gelehrten und schärft sein Kunstverständnis.
Galileo hat vorerst wenig Gelegenheit, mit der neuen Heimatstadt warm zu werden. Für ihn beginnt nun der für alle Patriziersöhne typische humanistische Bildungsweg. Er soll eine Klosterschule besuchen: die Benediktinerabtei von Vallombrosa.
Das Kloster liegt etwa vierzig Kilometer außerhalb von Florenz in einem Waldgebiet in über tausend Metern Höhe. Es ist ein idyllischer Ort im Sommer, wenn die Weintrauben reifen, von deren Ernte die Mönche leben, abweisend im Winter, wenn die Kälte durch alle Ritzen der hohen Steinmauern in die Klosterzellen eindringt. Dorthin, in die Obhut der Mönche, übergibt Vincenzo seinen elfjährigen Sohn im Jahr 1575, nachdem Galileo zuvor noch eine Zeit lang Privatunterricht in Florenz erhalten hat.
Es ist nicht bekannt, ob dem Jungen die Trennung von der Familie schwerfällt oder ob er sich rasch an das Klosterleben gewöhnt, an die religiöse Ordnung und die täglichen Unterweisungen in Logik, Grammatik und Rhetorik. Galileo äußert sich weder in seinen Briefen noch in seinen sonstigen Aufzeichnungen über die Eltern, seine Kindheit oder die klösterliche Erziehung.
Eine der wenigen überlieferten Jugenderinnerungen Galileos betrifft bezeichnenderweise seine erste Begegnung mit der Astronomie. Im Alter von dreizehn Jahren sieht er einen hellen Kometen am Nachthimmel, dessen gekrümmten Schweif er noch Jahrzehnte später vor Augen hat. Es ist vielleicht die früheste astronomische Beobachtung, die er mit Johannes Kepler teilt, der den vorbeiziehenden Schweifstern zur selben Zeit, ein paar hundert Kilometer weiter, im Alter von nicht einmal sechs Jahren bestaunt. Vielleicht schauen die beiden Jungen mit einer gewissen Furcht in den Himmel, denn Kometen werden dies- und jenseits der Alpen als göttliche Zeichen interpretiert, meist als Unglücksboten, die zum Beispiel den Tod eines Fürsten ankündigen.
Unter dem Einfluss der Kirche
Das Kloster gibt Galileo zumindest vorübergehend eine neue Lebensorientierung. Nach drei Jahren bei den Benediktinern möchte er Novize werden, ist offenbar empfänglich für die gemeinschaftsstiftenden Glaubensinhalte und Rituale, vielleicht auch beeindruckt von der Gelehrsamkeit der Mönche, die die Abtei weit über Florenz hinaus bekannt gemacht hat.
Bedeutende Persönlichkeiten kommen nach Vallombrosa, im Jahr 1575
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