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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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und Ruhm einen beträchtlichen Vorteil verschafften – so beträchtlich, dass es den Anschein haben konnte, er sei ein Vollstrecker der göttlichen Vorsehung. Der Trick bestand nun darin, diese Vorsehung rasch und entschlossen wahr werden zu lassen.
    »Ausgezeichnete Arbeit«, sagte Banks, als Henry ihm Bericht erstattet hatte. »Das hast du gut gemacht. Ich werde dich nächste Woche in die Anden schicken.«
    Henry musste überlegen: Was waren die Anden? Inseln? Ein Gebirge? Ein Land? So wie die Niederlande?
    Doch Banks redete weiter, als wäre bereits alles entschieden: »Ich finanziere eine botanische Forschungsreise nach Peru, die nächsten Mittwoch in See sticht. Du wirst unter der Führung von Mr Ross Niven stehen. Er ist ein zäher, alter Schotte – um ehrlich zu sein, vielleicht schon ein bisschen zu alt –, jedoch nicht weniger robust als alle anderen, die du dort vorfinden wirst. Ich möchte behaupten, dass er sich mit Bäumen auskennt und mit Südamerika auch. Weißt du, für diese Arbeit ziehe ich einen Schotten jedem Engländer vor. Sie sind kaltblütiger und beständiger, verfolgen ihre Ziele mit hartnäckigerem Elan, und genau das erhofft man sich ja von seinen Männern im Ausland. Dein Lohn beläuft sich auf vierzig Pfund pro Jahr, was zwar keine Vergütung ist, von der ein junger Mann in Saus und Braus leben kann, doch es ist ein ehrbarer Posten, der dir die Dankbarkeit des Britischen Weltreichs sichert. Da du noch Junggeselle bist, wirst du gewiss damit auskommen. Je bescheidener du jetzt lebst, Henry, desto reicher wirst du einmal werden.«
    Henry schien im Begriff, eine Frage zu stellen, weshalb ihm Banks rasch den verbalen Todesstoß versetzte. »Spanisch sprichst du nicht, oder?«, fragte er missbilligend.
    Henry schüttelte den Kopf.
    Banks stieß einen übertrieben enttäuschten Seufzer aus. »Nun ja, du wirst es lernen, denke ich. Ich erlaube dir trotzdem, an der Expedition teilzunehmen. Niven spricht Spanisch, wenn auch mit einem kuriosen, schnarrenden Akzent. Irgendwie müsst ihr dort mit der spanischen Regierung zurechtkommen. Weißt du, die Spanier protegieren Peru und sind wirklich ein Ärgernis – allerdings gehört es ihnen ja wohl. Du lieber Himmel, wie gern würde ich dort jeden Urwald durchforsten, wenn ich nur könnte. Ich hasse die Spanier, Henry. Ich hasse die spanischen Gesetze, die alles behindern und zerstören, was ihnen in die Quere kommt. Auch die spanische Kirche ist fürchterlich. Kannst du dir vorstellen, dass diese Jesuiten immer noch glauben, die vier Andenflüsse seien identisch mit den vier Flüssen des Paradieses aus der Genesis? Stell dir das mal vor, Henry! Wie kann man nur den Orinoko mit dem Tigris verwechseln!«
    Henry hatte keine Ahnung, wovon der Mann redete, doch er schwieg. In den letzten vier Jahren hatte er gelernt, nur dann den Mund aufzutun, wenn er wusste, wovon er sprach. Ferner hatte er gelernt, dass man durch Schweigen sein Gegenüber mitunter zu der Annahme verleiten konnte, man sei intelligent. Und im Übrigen war er abgelenkt, weil Banks’ Worte in seinem Kopf nachhallten: … desto reicher wirst du einmal werden.
    Banks klingelte, und ein bleicher Diener trat mit ausdrucksleerem Gesicht in den Raum, setzte sich an den Sekretär und nahm einige Bögen Schreibpapier daraus hervor. Ohne ein weiteres Wort an den Jungen zu richten, diktierte Banks:
    »In Ansehung der Empfehlung, die ich, Sir Joseph Banks, den Königlichen Botanischen Gärten von Kew zuteilwerden lasse … et cetera, et cetera … darf ich Sie im Namen Ihrer Lordschaften in Kenntnis darüber setzen, dass Sie, Henry Whittaker, für den Botanischen Garten Seiner Majestät zum Pflanzensammler ernannt werden … et cetera, et cetera … als Vergütung für Ihre Verpflegungs-, Lohn- und sonstigen Unkosten wird Ihnen ein Gehalt von jährlich vierzig Pfund gewährt, et cetera, et cetera, et cetera …«
    Schrecklich viele et ceteras für vierzig Pfund im Jahr, dachte Henry später, aber hatte er überhaupt eine andere Wahl für seinen zukünftigen Werdegang? Es folgte ein beflissenes Federkratzen, dann wedelte Banks zum Trocknen der Tinte träge mit dem Blatt durch die Luft und sagte: »Dein Auftrag, Henry, ist der Chinarindenbaum. Er ist dir vielleicht als Fieberbaum bekannt. Von ihm stammt die Jesuitenrinde. Bring so viel wie möglich darüber in Erfahrung. Es ist ein faszinierender Baum, und ich möchte, dass er eingehend erforscht wird. Mach dir keine Feinde, Henry. Nimm dich vor

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