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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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erwidert: »Wie erklären Sie es sich denn, Madam?«, und anschließend die Haustür wieder zugemacht.
    Wahrhaftig: Während die gebildete Welt geschlossen darum rang, mit diesem Darwin zu Rande zu kommen, blieb der fragliche Herr selbst erstaunlich schweigsam. Als ihn Charles Hodge am theologischen Seminar in Princeton des Atheismus bezichtigte, verteidigte Darwin sich nicht. Als Lord Kelvin sich weigerte, die Theorie anzuerkennen (was Alma zutiefst bedauerte, wäre Kelvin doch ein besonders glaubhafter Fürsprecher gewesen), protestierte Darwin nicht. Auch zu seinen Befürwortern äußerte er sich nicht. Als George Searle, ein bedeutender Astronom katholischen Glaubens, verlauten ließ, die Theorie der natürlichen Selektion erscheine ihm nur logisch und stelle für die katholische Kirche keinerlei Gefahr dar, erwiderte Darwin nichts darauf. Als der anglikanische Pfarrer und Schriftsteller Charles Kingsley verkündete, auch er sei durchaus einverstanden mit einem Gott, der ursprüngliche Lebensformen mit der Fähigkeit zur selbständigen Weiterentwicklung ausstatte, äußerte Darwin nicht ein Wort der Zustimmung. Und als der Theologe Henry Drummond versuchte, aus der Bibel heraus zugunsten der Evolutionstheorie zu argumentieren, vermied Darwin jede Debatte darüber.
    Alma beobachtete, wie sich freidenkerische Geistliche in Metaphern flüchteten und plötzlich behaupteten, die sieben Tage der Schöpfung, von denen in der Bibel die Rede war, seien in Wahrheit sieben geologische Zeitalter, während konservative Paläontologen wie Louis Agassiz in flammenden Zorn gerieten und Darwin und seine Befürworter des schändlichsten Verrats bezichtigten. Andere fochten Darwins Kämpfe für ihn aus: der mächtige Thomas Huxley in England, der wortgewaltige Asa Gray in Amerika. Darwin selbst hielt sich indessen nach Art des englischen Gentleman aus dem ganzen Disput heraus.
    Alma hingegen nahm sich jeden Angriff zu Herzen, so wie sie sich insgeheim an jeder Zustimmung freute – denn es war ja nicht nur Darwins Idee, die hier einer Prüfung unterzogen wurde, sondern auch ihre. Mitunter glaubte sie beinahe, sich mehr über die Debatte zu erregen und zu echauffieren als Darwin selbst (womöglich ein weiterer Grund, der ihn zu einem besseren Botschafter der Theorie machte, als sie es jemals hätte sein können). Doch Darwins Zurückhaltung verstimmte sie auch. Manchmal hätte sie ihn gern geschüttelt und ihn zum Kämpfen gezwungen. Sie an seiner Stelle hätte nach allen Seiten hin ausgeteilt, so wie Henry Whittaker. Vermutlich hätte sie sich dabei eine blutige Nase geholt, doch sie hätte auch etliche blutige Nasen verteilt. Sie hätte bis zum Äußersten gekämpft, um die gemeinsame Theorie zu verteidigen (denn als »gemeinsame Theorie« empfand sie sie nun einmal) … natürlich nur, wenn sie die Theorie jemals veröffentlicht hätte. Was sie bekanntlich nicht getan hatte. Sie war also gar nicht zum Kämpfen berechtigt. Und so schwieg auch sie.
    All dies war in hohem Maße peinigend, fesselnd und verwirrend.
    Und überdies – das entging Alma nicht – hatte immer noch niemand das Problem Prudence gelöst.
    Aus Almas Sicht klaffte also nach wie vor eine Lücke in der Theorie.
    Sie war nach wie vor unvollständig.
    •
    Doch schon bald trat etwas anderes auf den Plan, das Alma zunächst verwirrte und dann zunehmend fesselte.
    Während die Darwin-Debatte weiter wütete, wurde Alma nach und nach einer schemenhaften Gestalt gewahr, die sich im Schatten, am Rand verbarg. In jüngeren Jahren, als sie noch häufig am Mikroskop saß, hatte sie bisweilen ganz am Rand des Trägers ein Zucken wahrgenommen und dann versucht, dieses Etwas genauer in den Blick zu nehmen, weil sie bereits ahnte, dass es womöglich eine wichtige Entdeckung sein könnte. So war es auch jetzt. Da stimmte etwas nicht. Da gab es etwas in der Geschichte des Charles Darwin und der natürlichen Selektion, das es eigentlich nicht hätte geben dürfen. Wie damals am Mikroskop drehte Alma ein paar Knöpfe, betätigte ein paar Hebel und richtete ihre volle Aufmerksamkeit auf das Schemenhafte. Und so erfuhr sie von einem Mann namens Alfred Russel Wallace.
    Zum ersten Mal stieß Alma auf den Namen Wallace, als sie, aus bloßer Neugier, herauszufinden versuchte, wann der Begriff »natürliche Selektion« erstmals offiziell gefallen war – an jenem 1. Juli 1858 nämlich, bei einer Versammlung der Londoner Linné-Gesellschaft. Alma hatte den Bericht von den Vorgängen bei

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