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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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soll. Es war zu … einfach.«
    »Und die Sache mit Bernd und Nicole Klement?«
    Einen Augenblick lang sah ich Menkhoffs wutverzerrtes Gesicht vor mir. Nicht die heutige Ausgabe davon, sondern eine, die über 15 Jahre zurücklag.
    »Das kam natürlich noch dazu. Du hättest ihn damals erleben müssen, wenn er davon gesprochen hat, wie Lichner sich ihr gegenüber verhielt. Ich war mir einfach nicht mehr sicher, ob er wirklich von Lichners Schuld überzeugt war oder … oder ob er Nicole vor ihm beschützen wollte.«
    »Aber das hat sich doch mit der Zeit gelegt.«
    »Ja, das hat es.« Ich hatte Melanie nie erzählt,
wie groß
meine Zweifel damals gewesen waren, dass ich meinen Kollegen, mich selbst, meinen Job in Frage gestellt hatte wie niemals seitdem, und ich hatte auch nicht vor, es zu tun.
    Wir tranken noch ein weiteres Glas zusammen, und ich bat Melanie, mir von ihrem Tag zu erzählen. Ich hoffte, dass mich das so weit ablenken würde, dass ich anschließend vielleicht würde einschlafen können, ohne mir weiter den Kopf zu zerbrechen. Sie erzählte von einem Kollegen, der Alkoholprobleme hatte und am Nachmittag vom Filialleiter erwischt worden war, wie er gerade eine Pulle aus der Schreibtischschublade zog und ansetzte. Etwa eine halbe Stunde später räumten wir die Terrasse auf und gingen nach oben.
    Im Badezimmer drückte ich einen weiß-roten Wurm auf die Zahnbürste und warf einen kritischen Blick in den Spiegel. Als junger Mann hatte ich noch mittelblonde Haare gehabt, im Sommer waren sie sogar hellblond gewesen. Nun hatten sie eine Farbe angenommen, die eigentlich gar keine Farbe war. Es hatte nicht mehr im Entferntesten etwas mit Blond zu tun, war sehr dunkel, aber weder braun noch schwarz. Nur ein paar der Strähnen, die mir in die Stirn hingen, schimmerten noch etwas heller. Ich sah mir selbst in die Augen und dachte daran, wie Melanie sie beschrieben hatte, als wir uns kennenlernten, als
Augen eines großen Jungen im strahlendsten Hellgraublau, das sie jemals gesehen hatte
. Ich musste grinsen.
    Als ich zwei Minuten später in mein Bett schlüpfte, sagte Melanie: »Was ist eigentlich mit der Mutter des Mädchens, dieser Frau mit dem ausländischen Namen? Kann es nicht sein, dass Lichner das Kind versteckt, weil sie es ihm vielleicht wegnehmen möchte?«
    Ich kramte meine Decke zurecht. »Hmm, aber warum sollte er dann behaupten, dass er gar kein Kind hat? Macht doch keinen Sinn, oder? Na ja, wir müssen diese Zofia Sowieso morgen früh eh überprüfen.«
    »Denkst du, du kannst jetzt einschlafen?«
    »Keine Ahnung, im Moment gehen mir noch ziemlich viele Dinge durch den Kopf.«
    »Ich könnte diese Dinge vielleicht wegzaubern. Soll ich?« Mit einem verführerischen Lächeln hob sie ihre Bettdecke an. Ich rutschte zu ihr hinüber, und Melanie zauberte den Gedankenwirbel, der sich um Dr. Lichner, Bernd Menkhoff, ein Kind und eine Frau drehte, aus meinem Kopf, zumindest für eine Weile.
    Als ich mich eine halbe Stunde später ermattet auf die Seite drehte, dauerte es nicht lange, und meine Gedanken kreisten wieder um meinen Partner und den Mann, der diese Nacht in einer der Arrestzellen des Aachener Polizeipräsidiums verbrachte.

12
    14. Februar 1994
    Dieses Mal erwartete uns die alte Frau nicht, und sie sah uns offenbar auch nicht durch das Fenster, als wir vor ihrem Haus hielten. Bevor wir klingelten, wandten wir uns um und betrachteten die etwa zwei Meter hohen Sträucher, die auf der anderen Seite den Spielplatz vom Wendekreis der Sackgasse abgrenzten. Anders als die Bäume, die vereinzelt dazwischen herauslugten, hatten sie ihre Blätter nicht verloren. Es war überwiegend Lorbeer, sein stumpfes Dunkelgrün wirkte in dieser Jahreszeit kalt und abweisend. Das Haus der Familie Körprich lag schräg hinter dem Spielplatz, von unserem Standort aus konnten wir nur eine Ecke davon sehen.
    »Absolut unmöglich, dass sie von ihrem Fenster aus auf den Spielplatz sieht«, sagte Menkhoff. Seine Worte wurden von hellen, durchscheinenden Wolken begleitet, die sich wenige Zentimeter vor seinem Mund wieder in nichts auflösten.
    Marlies Bertels war überrascht, als sie uns sah, erklärte aber wortreich, wie sehr sie sich freue, und führte uns in die gute Stube.
    »Warum haben Sie am Telefon nichts davon gesagt, dass Sie mich wieder besuchen?« Mit beiden Händen stützte sie sich auf dem Tisch ab und ließ sich langsam auf den Stuhl sinken. »Ich wollte doch einen Kuchen für Sie backen.«
    »Weil wir erst

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