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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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erinnert. Sie hat nicht gewagt, ihm zu widersprechen, er schikaniert sie, er behandelt sie verdammt nochmal, als wäre sie sein persönlicher Besitz. Wenn er … wenn er
Lust
hat, muss sie ihn über sich ergehen lassen. Sie ekelt sich vor ihm.« Seine Stimme wurde immer lauter, und ich konnte die Wut heraushören. »Ich könnte kotzen, wenn ich nur daran denke. Er zerstört diese Frau, und sie kommt nicht von ihm los, weil sie Angst vor ihm hat. Sie hätten sie eben sehen müssen, als wir uns unterhalten haben. Am ganzen Körper gezittert hat sie.«
    »Und Sie meinen –«
    »Für mich, Herr Seifert, gibt’s keinen Zweifel: Joachim Lichner hat die kleine Juliane umgebracht. Und ich werde ihn überführen.«
    Gut möglich, dachte ich, dass dieser Doktor tatsächlich ein ziemlicher Dreckskerl ist, aber – alles, was Menkhoff aufgezählt hatte, betraf Nicole Klement und hatte nichts mit dem Mord an dem kleinen Mädchen zu tun.
    »Niemals dürfen Sie bei einem Mordfall Gefühle an sich heranlassen.« Ich sagte es, ohne darüber nachzudenken, und kaum hatte ich es ausgesprochen, da bereute ich es auch schon. »Was?« Menkhoff sah mich verblüfft an.
    »Das … das haben Sie mir gesagt, als wir … –«
    »Ja, ja, ich weiß, wann ich Ihnen das gesagt habe. Aber was zum Teufel soll das jetzt?«
    Ich hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten. »Ich weiß nicht … Vielleicht täusche ich mich ja, und vielleicht steht es mir nicht zu, das zu sagen, aber … es hört sich manchmal so an, als ob
Sie
im Moment Gefühle an sich heranlassen.«
    Lange Zeit entgegnete er nichts darauf, sah mir nur in die Augen. Ich rechnete mit einem Wutausbruch, aber der kam nicht. Mehr noch, Oberkommissar Bernd Menkhoff sagte überhaupt gar nichts dazu.
    Ein Gedanke formulierte sich in meinem Kopf, so verrückt, dass ich es unmöglich wagen konnte, Menkhoff darauf anzusprechen. Er würde mich zu Recht fragen, ob ich den Verstand verloren hatte. Andererseits … mehr als anbrüllen konnte er mich schließlich nicht. Ich nahm allen Mut zusammen. »Herr Menkhoff, darf ich Ihnen eine indiskrete Frage stellen?«
    Sein Gesicht veränderte sich auf eine Art, die ich nicht einordnen konnte: »Fragen Sie.«

27
    23. Juli 2009
    Ich schaffte es noch vor Menkhoff, mich aus der Umklammerung der Überraschung zu befreien, und zog die Kiste zu mir heran. Ließen diese Deckelteile sich tatsächlich noch um einiges schwerer öffnen als die der anderen Kisten, oder lag es nur daran, dass meine Finger ein nervöses Eigenleben entwickelt hatten, während ich versuchte, dieses Pappding zu öffnen?
    »Nun mach schon«, kommentierte Menkhoff meine Bemühungen, was der Sache nicht gerade dienlich war. Endlich hatte ich es geschafft und zog die oberen Hälften auseinander. Was darunter jedoch zum Vorschein kam, waren nicht etwa die erwarteten Register aus orangefarbener Pappe, sondern ein großes, schmuddelig aussehendes Kopfkissen ohne Bezug. Wir starrten eine Weile darauf, dann sahen wir uns an.
    »Scheiße«, sagte Menkhoff. Mit einem hastigen Griff packte er das Kissen und wollte es aus dem Karton ziehen, aber es war so fest hineingequetscht worden, dass er die ganze Kiste mit hochhob. Ich half ihm und zog den Karton an den Deckelteilen nach unten. Das funktionierte, und als das Kissen endlich heraus war, fiel die Kiste mit einem hohlen Knall auf den Boden. Sie war leer bis auf eine kleine Papierecke, die aus dem schmalen Spalt zwischen den Bodenteilen herauslugte. Ich packte sie mit spitzen Fingern und zog daran, doch sie bewegte sich kein Stück. »Lass mich mal«, sagte Menkhoff und versuchte sein Glück, allerdings mit dem gleichen Ergebnis. Daraufhin drehte er die Kiste mit Schwung um und zog die Bodenteile so unsanft auseinander, dass eines der Teile ein Stück einriss. Als er dieses Teil nach oben bog, segelte ein Blatt Papier zu Boden. Menkhoff hob es auf und hielt es so, dass ich auch lesen konnte, was daraufstand:
    festgestellt, dass eine psychische Belastung der Patientin zu massiven Reaktionen führen kann. Die Folgen der frühkindlichen Traumatisierung reichen aber bei N. K. weit über die beobachteten Veränderungen der Hirnentwicklung und die Beeinträchtigungen kognitiver und affektiver Reifungsprozesse hinaus. (Siehe P-Doku 112/1993)
    Nachdem ich den Text zum zweiten Mal fast durchgelesen hatte, sagte Menkhoff: »Verdammt, was … was soll der Mist? Was schreibt der da? Das ist doch nicht Nicole. Ich kenne sie besser als der, besser als

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