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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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friedlichen Atmosphäre dieser Wohnung, konnte man gar nicht glauben, dass auf beiden Mietverträgen der gleiche Name stand.
    Menkhoff gelang es schließlich zuerst, sich loszureißen. »Übernimmst du das Wohnzimmer, Alex?«
    Das Erste, was ich in dem Sideboard fand, war ein Album voller ausgeschnittener Zeitungsberichte über den Fall Juliane Körprich. Während die Artikel in der ersten Hälfte sich überwiegend in Spekulationen ergingen und in reißerischen Überschriften die Eltern im Raum Aachen dazu aufforderten, ihre Kinder nicht mehr aus den Augen zu lassen, drehte sich gegen Ende mehr und mehr alles nur noch um den Psychiater, der von einem Blatt den Namen ›Dr. Tod‹ bekam. Zwei Seiten weiter hatten es alle anderen übernommen. Der Artikel auf der letzten Seite berichtete über den Schuldspruch gegen Lichner. Darunter hatte jemand handschriftlich mit einem blauen Kugelschreiber geschrieben:
Ich dachte, du konntest nichts dafür.
    Es war eine krakelige Handschrift ohne jegliche Schnörkel, ich tippte auf einen Mann. Eine Weile starrte ich auf die Handschrift und versuchte mir einen Reim darauf zu machen. Ich legte das Album neben mich auf den Boden und durchsuchte weiter die Schubladen und Fächer des Sideboards, aber es gab dort nichts mehr, was für uns von Interesse gewesen wäre. Nachdem ich mir alles in dem Raum angesehen hatte, wo etwas hätte liegen oder versteckt sein können, verließ ich das Wohnzimmer und ging über den Flur in den Raum gegenüber, offenbar eine Abstellkammer, die etwa zehn bis zwölf Quadratmeter maß und mit Kisten in verschiedenen Größen vollgestopft war. Auf einige davon hatte jemand mit einem schwarzen Filzstift Buchstaben geschrieben. So gab es eine Kiste
A-B
, darauf stand ein etwas kleinerer Karton,
O
-Q.
    Ich betrachtete das Durcheinander. Wir hatten höchstens noch zwanzig Minuten, wenn wir ausschließen wollten, Joachim Lichner in seiner eigenen Wohnung zu begegnen, und ich fragte mich, wie ich es schaffen sollte, in dieser kurzen Zeit zumindest einen groben Blick in alle Kisten zu werfen.
    Ein Geräusch hinter mir ließ mich herumfahren. Es war Menkhoff, der aus dem Raum neben dem Wohnzimmer kam.
    »Im Schlafzimmer gibt es nichts Interessantes, nicht mal irgendein Pornoheft hat der Kerl im Nachttisch liegen.«
    »Dafür gibt es hier genug zu tun.« Ich zeigte in den Raum, Menkhoff betrachtete sich die Kistenstapel und nickte.
    Ich griff mir zuerst eine der beschrifteten Kisten,
G-I
. Die Deckel waren so ineinandergesteckt, dass es einige Mühe kostete, sie auseinanderzuziehen. Als ich es geschafft hatte, sah ich, dass die Kiste bis zum oberen Rand mit orangefarbenen Hängeregistern gefüllt war. Ich griff mir das oberste. Auf dem Deckel war PATIENTENDOKUMENTATION aufgedruckt, auf einer Linie darunter stand in leicht verschnörkelter Frauenhandschrift:
B. Harmann.
Ich klappte den Pappordner auf, und ein Blick auf das Datum der Akte von Frau Bernadette Harmann zeigte mir, dass sie aus der Zeit vor Lichners Verurteilung stammte. Menkhoff hatte wohl die gleiche Entdeckung gemacht, denn er sagte: »Der Kerl hat sie doch nicht alle, diese Kisten hier einfach rumstehen zu lassen. Wohl noch nie was von Arztgeheimnis gehört?«
    »Er hat offenbar nicht damit gerechnet, dass jemand ohne sein Wissen in seiner Wohnung herumstöbert, Bernd.«
    »Das ist doch scheißegal, Patientenakten gehören unter Verschluss, basta.«
    Ich blätterte ziellos in einigen der Register herum, irgendwann schob ich die Kiste zur Seite und nahm mir die nächste vor, auch die war mit den orangefarbenen Teilen gefüllt, und nach einem Blick hinein schob ich sie ebenfalls an die Wand. Dahinter kam ein kleinerer Karton zum Vorschein. Auch er trug eine mit schwarzem Stift aufgetragene Beschriftung, wobei die krakelige Handschrift eine starke Ähnlichkeit mit der Schrift hatte, mit der der letzte Zeitungsartikel in dem Album im Wohnzimmer kommentiert war. Im Unterschied zu den anderen Kartons aber waren hier nicht nur zwei oder drei Buchstaben hingeschrieben worden, sondern ein Name.
    Als ich leise aufstöhnte, wandte Menkhoff sich mir zu und sagte: »Was zum Teufel ist mit …« Weiter kam er nicht, denn auch er sah nun die Aufschrift:
Patientendoku N. Klement
.

26
    15. Februar 1994
    Ich verzichtete vorerst darauf, mich mit weiteren Nachbarn zu unterhalten. Das Gespräch mit Frau Leistroffer hatte länger gedauert, als ich gedacht hatte, und ich wollte nach Möglichkeit wieder im Büro sein, wenn

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