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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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jeder andere.«
    Ich starrte noch immer auf das Blatt.
    »Bernd, ich weiß, dass du sie sehr gut kennst, aber wenn sie tatsächlich ein psychisches Problem hatte … Wenn Dr. Lichner ihr helfen konnte, kann es gut sein, dass du nichts mehr davon bemerkt hast. Er ist Psychiater, trotz allem, und er kann durchaus gut in seinem Beruf –«
    »Blödsinn«, unterbrach er mich barsch. »Das glaubst du doch selbst nicht, Alex. Hast du gelesen, was da steht? Ich meine, hast du es
richtig
gelesen? Hier …«, er fuhr mit dem Zeigefinger den Text nach, »guck dir das an:
Die Folgen der frühkindlichen Traumatisierung …
Mann, Alex, wenn es irgend so ein Trauma aus ihrer Kindheit gegeben hätte, das hätte sie mir doch erzählt, und wenn nicht, hätte ich es merken müssen.«
    Ich sah ihn an und sagte nichts. Ich war überzeugt, dass mein Partner die Augen vor dem Offensichtlichen verschloss, weil plötzlich wieder seine Gefühle für diese Frau ins Spiel kamen.
    »Bernd, verdammt nochmal«, setzte ich an und bemühte mich erst gar nicht, meine Wut zu verbergen, auch wenn es die Wut über mich selbst, über meine damalige Feigheit war, als ich meine Bedenken für mich behalten hatte. »Echt, Bernd, du müsstest dich selbst mal hören.
Das hätte ich doch merken müssen.
Darf ich dich daran erinnern, was du mir damals erzählt hast? Wie sehr es dich belastet hat, dass sie oft aus heiterem Himmel tagelang depressiv war? Ohne ersichtlichen Grund? Und dass du oft das Gefühl hattest, sie verheimlicht dir was? Und jetzt, jetzt plötzlich tust du so, als wäre genau das unmöglich. Hör endlich damit auf, sie auf einen Sockel zu heben, wo nichts und niemand sie erreichen kann.« Ich hatte mich in Rage geredet, und ich war wütend.
»Niemals dürfen Sie bei einem Mordfall Gefühle an sich heranlassen.
Das hast du damals zu mir gesagt, als wir vom Fundort der Leiche weggefahren sind, erinnerst du dich? Ist lange her, aber ich hab’s mir gemerkt, Bernd, im Gegensatz zu dir.
Du
hast deinen eigenen Rat ein paar Tage später vergessen, und du hast ihn sogar verkauft für diese Frau, und –«
    »Hey, ich –«
    »Und jetzt, Bernd, jetzt fängst du schon wieder damit an, die Augen vor allem zu verschließen, was auch nur annähernd –«
    »Das reicht!«, brüllte er, und ich konnte gar nicht anders, als tatsächlich sofort zu verstummen. Mein Atem hörte sich in der schlagartig eintretenden Stille für mich an wie der schleifende Gang einer monströsen Gestalt. Wir sahen uns an.
    »Lass uns gehen, Alex, bevor der Kerl hier auftaucht.« Es hörte sich seltsamerweise nicht so an, als wäre er wütend auf mich.
    »Ja, lass uns gehen.« Ich fühlte mich erleichtert. Weil ich Menkhoff endlich zumindest ein kleines Stück von dem gesagt hatte, was mich so lange beschäftigte. Und weil er mir das offenbar nicht übelnahm.
    Ich hob das Kissen auf, stopfte es wieder in die Kiste, und wir verließen die Zweitwohnung von Dr. Joachim Lichner.
    Von W. Merten sahen wir nichts, als wir am Fuße der Treppe angekommen waren. Nur als ich mich im Vorgarten noch einmal umdrehte, entdeckte ich, dass sich die Gardine hinter dem rechten der beiden Fenster der Erdgeschosswohnung bewegte.
    Als ich den Motor des Audi startete, sah ich durch das Seitenfenster noch einmal zu dem Haus herüber. Ich hatte dabei das deutliche Gefühl, dass wir etwas übersehen hatten.
    Menkhoff führte unterwegs ein kurzes Telefonat mit unserer Chefin. »Er ist so gut wie raus«, sagte er, als das Gespräch beendet war. »Sie halten ihn mit Papierkram auf, aber das wird höchstens noch zwanzig Minuten funktionieren.«
    »Und jetzt?«, fragte ich. »Fahren wir noch zu diesem Pfleger?«
    »Und ob.«
    »Was denkst du über diesen Diesch?«
    »Noch nicht viel, aber das wird sich bald ändern.«
    »Hoffentlich ist er zu Hause«, sagte ich und konzentrierte mich auf die Straße.
    »Ich werde sie fragen«, sagte Menkhoff, als ich gerade in die Straße in Richterich einbog, die Schwester Gabi auf den Zettel geschrieben hatte.
    Überrascht sah ich zu ihm herüber. »Was?«
    »Nicole. Ich werde sie fragen, ob sie bei Lichner in Behandlung war.«
    »Wie – fragen? Ich dachte, du hast sie seit neun Jahren nicht mehr gesehen und keinen Schimmer, ob sie überhaupt noch in der Gegend wohnt? Und selbst wenn – warum sollte sie dir nach so langer Zeit etwas verraten, das sie dir während der ganzen Jahre verschwiegen hat, die ihr zusammen wart?«
    »Vielleicht genau deshalb«, sagte er.

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