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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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»Weil wir uns seit neun Jahren nicht mehr gesehen haben.«
     
    Markus Diesch war zu Hause. Seine Souterrain-Wohnung hatte auf der linken Seite des Hauses eine eigene Eingangstür, die wir erst entdeckten, nachdem wir festgestellt hatten, dass es an der Vordertür keine Klingel mit seinem Namen gab.
    Ich erkannte ihn gleich, als er öffnete. Schwester Gabi hatte recht gehabt: Er war zwar um einiges schlanker als auf dem Foto, aber er war es definitiv. Wir zeigten ihm unsere Ausweise, Menkhoff stellte uns vor und fragte, ob wir uns kurz mit ihm unterhalten könnten. Sein Gesichtsausdruck wurde skeptisch. »Worum geht es? Ich hab mir nichts zu Schulden kommen lassen. Seit ich raus bin, arbeite ich im Klinikum.«
    »Wissen wir«, sagte Menkhoff. »Und vorher haben Sie in einem Krankenhaus in Koblenz gearbeitet, wie wir gehört haben.«
    »Ach, das.« Er atmete tief aus und hob beide Hände. »Hören Sie, die Klinikleitung weiß selbstverständlich, dass ich im Gefängnis war. Ich musste bei meiner Bewerbung ein polizeiliches Führungszeugnis abgeben. Aber wir haben abgemacht, dass meine Kolleginnen und Kollegen davon nichts erfahren, solange ich meinen Job gewissenhaft erledige. Ich bin heilfroh, denn wenn die gewusst hätten, dass ich direkt aus dem Knast komme, dann hätten –«
    »Darum geht es nicht, Herr Diesch«, unterbrach ich ihn. »Wir möchten uns mit Ihnen über Dr. Joachim Lichner unterhalten. Den kennen Sie doch, oder?«
    Er kannte ihn, das sagte mir sein Gesicht schon, bevor er antwortete. »Ich hab die letzten zwei Jahre mit ihm in einer Zelle gesessen. War ziemlich nervig.«
    »Dürfen wir vielleicht reinkommen?«, fragte Menkhoff. Nach kurzem Zögern nickte Diesch und gab die Tür frei.
    Die Wohnung war deutlich kleiner als die, aus der wir gerade gekommen waren, doch auch sie war hell und freundlich eingerichtet. Ich sah mich kurz in dem kleinen Wohnzimmer um, in das er uns führte, und erinnerte mich an etwas, was Melanie bei ihrem ersten Besuch in meiner Junggesellenbude behauptet hatte: Man erkenne sofort, wenn man in eine Männerwohnung komme. Woran sie das angeblich erkannt haben wollte, hat sie mir nie verraten. In diesem Moment jedoch glaubte ich zu verstehen, was sie damals gemeint hatte.
    Nicht, dass es bei Markus Diesch übertrieben unordentlich gewesen wäre. Es lagen auch keine schmutzigen Unterhosen auf dem Fußboden herum. Es waren Kleinigkeiten, wie das Spinnennetz an der Stehlampe neben der Couch, der dunkle Abdruck eines Glases auf der Holzplatte des Couchtisches oder die helle Staubschicht, mit der die Glasböden der beleuchteten Vitrine in der Ecke überzogen waren, auf denen sauber ausgerichtet kleine rote Modellautos standen. Eine Männerwohnung. Ich spulte den Film meiner Erinnerungen eine halbe Stunde zurück. In Lichners Wohnung hatte ich diese Gedanken nicht gehabt. Warum nicht? Weil es keine Männerwohnung war? Gab es eine Frau, die dort aufräumte und saubermachte? Oder hatte mein Partner recht mit seiner Vermutung, dass die Wohnung komplett möbliert vermietet worden war?
    Menkhoff hatte sich neben mich auf die sandfarbene Couch gesetzt, Markus Diesch ließ sich uns gegenüber auf einen Hocker nieder.
    »Stehen Sie noch mit Joachim Lichner in Kontakt?«, fragte Menkhoff, als Diesch uns erwartungsvoll ansah.
    »Nein.«
    »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Als ich mich von ihm im Knast verabschiedet habe.«
    »Warum waren Sie im Gefängnis, Herr Diesch?«, fragte ich, woraufhin er überrascht die Brauen hob.
    »Das wissen Sie nicht?« Als wir ihn beide nur ansahen, zuckte er mit den Schultern und machte ein betretenes Gesicht. »Ich hab Mist gebaut«, und nach einer weiteren Pause: »Hab ein paar Sachen nachgemacht.«
    »Also Fälschung«, stellte Menkhoff sachlich fest. »Was haben Sie gefälscht?«
    »Ach, paar Ausweise und so.« Ich tauschte mit Menkhoff einen Blick. Wir hatten mit Sicherheit den gleichen Gedanken.
    »Sie sagten, Joachim Lichner war ziemlich nervig. Was genau meinen Sie damit?« Ich wunderte mich, dass Menkhoff nicht gleich nachhakte und nach der Geburtsbescheinigung fragte, mischte mich aber nicht ein.
    »Zwei Jahre, einen Monat und einen Tag habe ich mit dem Doc in einer Zelle gesessen, und in dieser ganzen Zeit gab es keinen einzigen Tag, an dem er mir nicht erzählt hat, dass er unschuldig sitzt und dass er genau weiß, wer das Mädchen getötet hat.«
    »Was?«, entfuhr es mir, wofür ich mir einen Blick meines Partners einhandelte,

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